Share Deals und Umwandlungen – Hintergrund zur letzten Straßenaktion

Im Folgenden legen wir genauer da, was wir Euch bei der letzten Straßenaktion szenisch vorgeführt haben: Wie mit Immobilienverkäufen per sog. Share Deals die Gesetze gegen Spekulation  mühelos ausgetrickst werden – aber auch, was man dagegen tun kann.

Spekulationsbremsen und wie man sie umgeht

Mindestens drei Faktoren behindern Investoren eigentlich dabei, Mietwohnungen zur reinen Profitsteigerung  zu kaufen und zu verkaufen.

Die Grunderwerbsteuer,  in Berlin beträgt sie 6,5 %. Dadurch werden kurzfristige Verkaufsgewinne durch die Wertsteigerung von Grund und Boden wieder aufgefressen.

Der Mileuschutz , der Luxussanierungen sowie Umwandlungen in Wohneigentum stark beschränkt. Dadurch werden Immobilienkäufer daran gehindert, Kasse mit Mietwohnungen zu machen, indem sie sie zu Luxus-Eigentumswohnungen umbauen.

Das Vorkaufsrecht des Bezirks. In manchen Fällen werden Immobiliendeals verhindert, weil der jeweilige Bezirk dazwischen tritt und die Immobilie aufkauft. Der Profit für den Verkäufer wird erheblich gemindert, weil statt des höchsten Gebotes lediglich der „Verkehrswert“ als Kaufpreis realisiert wird.

Doch es gibt einen Trick, um all diese Regeln zu umgehen.

Und der ist ganz einfach: Der Share-Dealer hat eine ganze Reihe von GmbHs und diese Firmen sind Eigentümerinnen von genau einem Haus. Es ist der einzige Zweck der GmbH, dieses Haus zu besitzen.

Aber nach dem Kauf des Hauses entwickelt er es nicht, das wäre ja Arbeit. Nein, er wartet einfach ein bisschen ab, denn die Preise für Häuser steigen so schnell in die Höhe, dass er tatsächlich nichts tun muss außer zu warten. Nach einer gewissen Zeit bietet er nicht das Haus, sondern die GmbH zum Verkauf an. Man findet potentielle Käufer sehr einfach.  In Zypern zum Beispiel gibt es richtige Börsen für solche Geschäfte.

Das umzusetzen, ist ganz einfach: Share-Dealer und Käufer gehen zu einem Notariat. Bei diesem Notar setzen sie einen Vertrag auf, bei dem knapp 95 % der GmbH an der Käufer übergeben werden. Sie teilen also die Firma auf und der  Verkäufer schiebt seinen Gesellschafts-Anteil zum Hauskäufer: Share Deal

Danach ist der Käufer Haupteigentümer der Firma und der Share-Dealer ist raus. Die anderen 5 % verschieben beide an eine Briefkastenfirma im rechtlichen Nirgendwo. Auf Zypern, Gibraltar, aber auch schon in Berliner Vororten gibt es entsprechende Angebote.

Das Haus gehört nun dem neuen Hauptgesellschafter der GmbH.  Aber jetzt kommt das allerbeste: Käufer und Verkäufer müssen bei diesem Deal überhaupt keine Steuern bezahlen: Die Grunderwerbsteuer fällt weg, weil im Grundbuch ja immer noch dieselbe Besitzerin eingetragen ist: Nämlich die 1-Haus-GmbH. Tatsächlich bekommt der Staat überhaupt nichts von diesem Geschäft mit.

Keine Information – keine Steuern, keine Kontrolle

Aus demselben Grund wird auch das Vorkaufsrecht des Bezirks ausgehebelt. Denn das Haus wechselt ja nicht den Besitzer (Eigentümer bleibt die GmbH), und das Vorkaufsrecht erstreckt sich nicht auf den Einkauf in Hausgesellschaften. Die Behörden können dann auch nicht kontrollieren, aus welchen Quellen das Geld für den Kauf der Häuser eigentlich kommt. Insbesondere dann nicht, wenn diese GmbHs selbst Firmen gehören, die in internationalen Netzwerken organisiert sind. Damit sind zum Beispiel der Geldwäsche Tür und Tor geöffnet. Die organisierte Kriminalität drängt auf diesem Wege auf den Berliner Wohnungsmarkt und verschärft den Preisdruck auf die Mieter.innen.

Share Deals in Berlin

Anfang 2017 waren etwa 60% aller Vermögenswerte, mit denen an den Finanzmärkten gehandelt wird, durch Kapitalanlagen in Immobilien abgesichert. Für Hauseigentümer.innen ist es also leicht, sich bei Banken Geld zu leihen, um es irgendwo auf der Welt in ein boomendes Geschäft zu investieren. Sie können also weiterspekulieren. Oder sie machen mit ihrer 1-Haus-Gmbh direkt Profit. Berlin ist nämlich gerade die Stadt mit den am schnellsten steigenden Immobilienpreisen weltweit: Die Morgenpost nannte letzten Monat einen Quadratmeterpreis von durchschnittlich 3.700 Euro, ein Bericht aus der Immobilienwirtschaft nennt 4.400 Euro, und ein Bauentwickler sprach im Interview mit dem rbb von 6.000 Euro pro Quadratmeter. Beim Rekordverkauf einer Eigentumswohnung am Kurfürstendamm wurde ein Quadratmeterpreis von 12.800 Euro erzielt. Nehmen wir an, ein Investor ist darauf aus, mit seiner 1-Haus-GmbH umgehend Rendite zu machen – dann ist ein Weiterverkauf die erste Wahl. Genauer: die Aufteilung des Mietshauses in Eigentumswohnungen und deren “scheibchenweiser“ Weiterverkauf. Denn damit kann mehr Geld gemacht werden, als durch den Komplettverkauf des Hauses als ganzem. Wie verläuft so eine Umwandlung und was bedeutet das für die Mieter.innen?

Umwandlung

Die Umwandlung eines Mietshauses in einzelne Eigentumswohnungen bedeutet, dass die Eigentümerin ihr einheitliches Hauseigentum aufheben lässt und es durch ein sogenanntes Sondereigentum an jeder einzelnen Wohnung ersetzt. Das Mietshaus wird so zu einer “Eigentumswohnanlage“. Um eine solche Umwandlung durchzuführen, ist für jede Wohnung eine sogenannte Abgeschlossenheitsbescheinigung nötig. Diese wird von der Bauaufsicht des zuständigen Bezirksamts erteilt, wenn die Eigentümerin nachweisen kann, dass jede einzelne Wohnung (wie der Name der Bescheinigung sagt) in sich abgeschlossen ist. Dazu gehört z.B., dass sie eine Innentoilette besitzt. Übrigens wurden bereits 1992 die Anforderungen an die Abgeschlossenheit von Wohnungen gelockert: so brauchen bei Altbauten Trennwände und Trenndecken nicht den landesbaurechtlichen Anforderungen an Schall- und Wärmeschutz zu entsprechen. Wird eine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt, kann die Eigentümerin für jede einzelne Wohnung ein eigenes Blatt im Grundbuch des Hauses anlegen lassen, das die Eigentumsverhältnisse an Häusern verbrieft. Das kann auch mit einer 1-Haus-GmbH geschehen: die GmbH wird einfach auf jeder Seite des Grundbuchs als Eigentümerin eingetragen. Damit ist auch die Umwandlung abgeschlossen, und jede Wohnung kann einzeln weiterverkauft werden.

Umwandlungen im Milieuschutzgebiet

Gegen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen ist bislang kein Kraut gewachsen. Auch in Milieuschutzgebieten sind sie nicht verboten, sondern lediglich genehmigungspflichtig. Das bedeutet, dass aufgrund bestimmter Ausnahmetatbestände doch umgewandelt werden kann. Und hier klafft das vielleicht größte (einprogrammierte?) Schlupfloch im Millieuschutzgesetz: wenn eine Eigentümerin sich verpflichtet, die Wohnung innerhalb von 7 Jahren (im Link unter Absatz 4, Punkt 6) nur an die bestehenden Mieter.innen zu verkaufen, darf das Amt die Umwandlung nicht verwehren. Dass diese sich die genannten Quadratmeterpreise leisten können, ist in der Regel ausgeschlossen. Sind die 7 Jahre abgelaufen, darf die umgewandelte Wohnung dann auf dem freien Immobilienmarkt verkauft werden.

Konsequenzen für die Mieter.innen

So, wie auf einen Share Deal nicht selten die Umwandlung in Eigentumswohnungen folgt, so folgen auf eine Umwandlung oft auch verschiedene Verdrängungsmaßnahmen, wie Luxusmodernisierungen, Erhöhungen der Betriebskosten und andere Entmietungstaktiken. Der Grund: leere Wohnungen sind wertvoller als bewohnte, weil sie als sofort bezugsfertig angeboten werden können. Nach einer Umwandlung wird also nicht selten alles daran gesetzt, die bestehenden Mieter.innen zu vertreiben, um den Verkaufspreis noch einmal nach oben schrauben zu können. Gelingt das nicht, und die Eigentümerin verkauft die Wohnungen bewohnt, ändert sich danach für die Mieter.innen rechtlich erst einmal nichts, denn es gilt: „Kauf bricht nicht Miete“. Nach dem Verkauf wird die neue Eigentümerin automatisch die neue Vermieterin. Nun droht aber die mit Abstand gefährlichste Entmietungsmaßnahme: die Eigenbedarfskündigung.

Eigenbedarfskündigung

Eine Eigenbedarfskündigung bedeutet, dass die neue Eigentümerin die bewohnte Wohnung für sich oder Angehörige der eigenen Familie reklamieren kann und den bestehenden Mieter.innen dafür kündigen darf. In Berlin gilt dafür eine zehnjährige Kündigungssperre, zu der dann noch der (abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses) ein drei- bis neunmonatiger regulärer Kündigungsschutz hinzugerechnet wird. Die Kündigungssperre gilt ab dem Moment, wo nach der Umwandlung die neue Eigentümerin in das Grundbuch der Wohnung eingetragen wurde. Ab dann tickt die Uhr: Nach zehn Jahren plus Kündigungsschutz kann den Bestandsmieter.innen rechtmäßig gekündigt werden. Dagegen hilft dann nur noch die Erklärung der Kündigung durch ein Gericht als ungültig, und zwar aufgrund einer nicht zu rechtfertigenden Härte wie Alter und Krankheit. Eigenbedarfskündigungen sind also das schärfste Schwert individueller Hauseigentümerinnen gegenüber den Mieter.innen. Und nicht selten bildet dieser ganze Prozess – Share Deal -> Umwandlung -> Wohnungsverkauf -> Eigenbedarfskündigung eine Kette der Verdrängung, wobei zwischen den einzelnen Gliedern alle möglichen sonstigen Verdrängungstaktiken durch die Eigentümerinnen angewendet werden können und oft auch werden. Alle Infos zur Umwandlung in Eigentumswohnungen und Eigenbedarfkünfigungen sind auf einem Infoblatt der Berliner MieterGemeinschaft kompakt zusammengefasst.

Gesamtgesellschaftliche Ebene

Je mehr Wohnungen in Eigentum umgewandelt werden, desto mehr wird Berlin aus einer Mieter- zu einer Eigentümerstadt. 2017 wurden in ganz Berlin etwa 16.000 Wohnungen umgewandelt, und mittlerweile sind ein Viertel aller Berliner Wohnungen Eigentumswohnungen. Da die Immobilienpreise hier selbst für die sogenannte Mittelschicht kaum mehr zu bezahlen sind, führt diese Entwicklung langfristig zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: In der Innenstadt die wohlhabenden Haus- und Wohnungseigentümerinnen, an den Rändern und im Umland die Menschen, die sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können, und nach Berlin pendeln, um hier zu arbeiten. Das ist in New York und London bereits Realität: Die Innenstädte sind durch Superreiche besetzt worden, die sich Freizeit-Wohnungen zulegen, um einige Wochen oder Monate im Jahr in der Stadt zu verbringen. Dem passt sich die gesamte städtische Wirtschaft an: Es verschwinden die kleinen Gewerbe, soziale Einrichtungen, Ateliers und Freiräume für soziale und kulturelle Experimente. Es verschwinden die Kieze und es entstehen exklusive, abgeschottete Nachbarschaften, die sich durch Luxus und sozialen Chauvinismus (also das Treten nach unten auf die Ärmeren) definieren, statt durch ein vielfältiges Leben und die soziale Mischung. Das bedeutet Gentrifizierung, und das gilt es zu verhindern!

Wir fordern von der Politik:

  • Das Verbot von Share-Deals
  • Das Verbot von Umwandlungen in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten durch die Abschaffung des Schlupflochs der 7-Jahres-Regelung

Und wir fordern die Mieter.innen Berlins auf:

  • zum Beitritt in Mieterschutzvereinen wie dem Berliner Mieterverein oder der Berliner MieterGemeinschaft, um gegen individuelle Verdrängungsmaßnahmen rechtlich vorgehen zu können (mindest-Mitgliedszeitraum für die Rechtsschutzversicherung beachten!),
  • zur Vernetzung mit den Nachbar.innen und der Selbstorganisierung im eigenen Wohnhaus, um sich gegen verdrängende Eigentümer.innen zu solidarisieren,
  • zur Gründung von Nachbarschafts-Initiativen in allen Kiezen der Stadt, um den Wohnraum-Spekulant.innen und ihren Lobbyverbänden eine entschlossene gesellschaftliche Macht entgegen zu setzen.