Anzeige gegen Mieter – Verdrängung Friesenstr. 14 durch BOW 2 GmbH
Der Newsletter des Tagesspiegels (93.000 Abonnenten) berichtet heute über eine Anzeige wegen „Verschmutzung“: Im Haus Friesenstraße 14 der BOW 2 GmbH wurde per Aushang auf die drohende Entmietung hingewiesen.
Auf diesem Zettel fehlen einige Informationen:
- Die ALW Immobiliengruppe betreibt oft eher Pseudo-Modernisierung als wirkliche Sanierung, um die Mieten nach oben zu jagen
- ALW/BOW bricht alte Sozialstrukturen in den Kiezen auf – siehe hierzu die Übersichtsseite Verdrängung als Geschäftsmodell
- ALW/BOW nutzt vielfältige Grund, um eigene Mieter abzumahnen und auch zu verklagen – so auch bei diesem Fall: Im Schreiben der Hausverwaltung Hachmann werden von den Mietern sachdienliche Hinweise verlangt, um den/die Verursacher zu ermitteln. Die Zettel wurden zuvor schnell und rückstandslos entfernt.
- Einige Wohnungen sind bereits im Verkauf: Altbaujuwel-im-Dornröschenschlaf textet die Firma Immorat Immobilien / Christian Gröbler Immobilien-und Finanzservice GmbH. Kaufpreis: 669.000 Euro.
Die Situation im BOW-Haus Friesenstraße 14:
Das Haus wurde im Oktober 2014 von der BOW 2 GmbH gekauft. Geschäftsführer Andreas Bahe hat über seine Notarin (in der Regel: Marina Gregor, Schwerpunkte: Immobilientransaktionen/Teilungserklärung) am 4. März 2015 den Antrag auf Umwandlung in Eigentumswohnungen gestellt.
Einen Tag zuvor erließ der Senat eine Umwandlungsverordnung, Details dazu unten. Andreas Bahe hatte noch nicht alle Unterlagen zusammen, u.a. fehlte im die notwendige Abgeschlossenheitsbescheinigungen für das Haus. Er reklamierte für sich, die fehlenden Unterlagen nachzureichen.
Da die Bauämter in Berlin durch den Ausschlusstermin der Umwandlungsverordnung mit Anträgen überschwemmt worden sind, haben viele Antragsteller lange auf ihre Genehmigung warten müssen, so Andreas Bahe bis September 2016. Dann hat das Bauamt ihm die Genehmigung erteilt – zunächst mit der Sperrfrist nach Baugesetzbuch, 7 Jahre nur an Mieter verkaufen zu dürfen (Details unten).
Welche Gesetze schützen Mieter/innen vor Verdrängung in Berlin?
Das schärfste Schwert ist besagte Umwandlungsverordnung, die der Berliner Senat am 3. März 2015 beschlossen hat und die seit dem 15. März 2015 für alle Milieuschutzgebiete in Berlin gilt. Mit dieser Verordnung wird die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im jeweiligen Bezirk genehmigungspflichtig. Damit ist eine Umwandlung nicht generell verboten, sondern sie bedarf einer Genehmigung durch das Bezirksamt.
Der Senat hat in seinem Beschluss festgelegt, dass die Verordnung ab dem 3. März gilt. Dagegen sind diverse Hausbesitzer vor Gericht gezogen und haben leider gewonnen. Sie haben eingeklagt, dass diese Verordnung erst mit der Verkündung im Amtsblatt am 15. März 2015 gilt, so wie es bei Gesetzen auch der Fall ist. Dieses Urteil ist vom höchsten deutschen Gericht – dem Bundesgerichtshof – am 25.11.2016 unter VZB/198/15 gefällt worden.
Was bedeutet dies für die Mieter/innen der Friesenstr. 14?
Da der Umwandlungsantrag von Andreas Bahe vor dem Inkrafttreten der Umwandlungsverordnung liegt, gibt es für das Haus keine Beschränkungen und sein Antrag ist in vollem Umfang genehmigt.
Andreas Bahe wartet derzeit auf die Bescheinigung aus dem Rathaus, dass das 7-Jahre Vorkaufsrecht der Mieter aus den Unterlagen des Bauamtes gestrichen wird. Er kann die einzelnen Wohnungen dann einfach frei verkaufen
Und was ist mit dem Kündigungsschutz?
Die Mieterinnen/Mieter haben einen 10-jährigen Kündigungsschutz. Dieser beginnt
- wenn es einen neuen Besitzer seiner Wohnung gibt
- dieser beim Bauamt eingetragen ist,
- Eigenbedarf anmeldet
- und dieser berechtigt ist (Prüfung über Mietervereine möglich)
Schlupfkrater statt Schlupfloch: Bundesrecht über Berliner Landesrecht
Für ganz Deutschland gibt es das Baugesetzbuch. Dessen Aufgabe ist es, die Bauleitplanung einer Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
In Berlin ergeben sich daraus eine Reihe von Ausnahmen (besonders in § 172), die die Hausbesitzer bei ihren Anträgen anführen können und die in die Entscheidungen auf Bezirksebene eingreifen können.
Nach § 172 Abs. IV Satz 3 Nr. 6 Baugesetzbuch darf eine Genehmigung auf Aufteilung nicht versagt werden, wenn der Antragsteller sich verpflichtet, nach Umwandlung die Wohnungen sieben Jahre lang nur den Mietern zum Kauf anbieten (er kann aber auch einfach sieben Jahre warten). Die Frist für die Kündigung wegen Eigenbedarfs beträgt danach weitere fünf Jahre.
„Der letzte Punkt wird als Umgehungstatbestand häufig angewandt“ schreibt das Bezirksamt, ein Mitarbeiter ergänzt: „Das ist kein Schlupfloch, sondern ein Schlupfkrater.“ Diesen zu schließen wäre also ein Thema für die Bundestagswahl. Durch besagte Abmahnungen/Kündigungen oder Auszug von Mietern auf Grund von Baulärm bzw. Mieterhöhungen lässt sich dieser Prozess natürlich beschleunigen. Siehe auch: Der Bizim-Kiez Kurzleitfaden für MieterInnen für den Fall der Modernisierung.