Wrangelstr. 66a/b # Taborstr.8 – Luxusmodernisierung
Das Haus erhielt Ende 2005 neue Eigentümer.
In den Gewerberäumen im Erdgeschoss wurden daraufhin unmittelbar die Bürgerhilfe (!) und eine einzelne Künstlerin „verdrängt“ (daraufhin ist in allen Gewerberäumen ein etabliertes Mediendesignbüro eingezogen).
In den normalen Mietwohnungen folgten diverse Modernisierungen, Abmahnungen, Räumungsaufforderungen/-klagen für die MieterInnen und diverse Gerichtsverfahren.
Von den AltmieterInnen sind bis jetzt 2015 ca. noch 1/3 verblieben. Die übrigen 2/3 der Wohnungen wurden sukzessive (nach eher geringfügigeren bzw. preisgünstigen Renovierungs-/Modernisierungsmaßnahmen) zu ca. doppelten Quadratmeterpreisen neu vermietet.
Letztes Jahr wurde das Dachgeschoss ausgebaut.
… zur Vorgeschichte des Hauses (lt. Mieter) :
Die alten Mieter/innen im Haus gingen aus unterschiedlichsten Gründen, z.T. freiwillig, z.T. vermutlich aufgrund lang anhaltender Baumaßnahmen und Mietsteigerungen. Oder auf Basis von Abmahnungen (nicht genehmigten Untervermietungen), sie wurden z.T. mit ein paar wenigen 1000 € abgefunden, z.T. aber auch rausgeklagt (oder dies wurde zumindest versucht, klappte aber jedoch nicht immer). Klagen/Gerichtsverfahren bezogen sich häufiger auf (nur teilweise gerechtfertigte) Mieterhöhungsverlangen, nicht genehmigte Untervermietungen bzw. nicht rechzeitig angekündigte Modernisierungen (eine einstweilige Verfügung wegen Ausbau des Dachgeschosses wurde durch Nachbarn erwirkt) als auf Räumungen oder Auszüge an sich.
Die einstmals installierten Aussenkameras wurden nach Androhung von Klagen durch Nachbarn wieder von der Hausverwaltung abmontiert.
Für das Haus sind vor dem Stichtag (nachdem Umwandlungen innerhalb der Milieuschutzgebiete genehmigungspflichtig wurden) alle Verfahren zur Umwandlung erledigt. Der Antrag auf Teilung des Mietshaus ist durch – Abgeschlossenheitsbescheinigungen liegen für alle Wohnungen vor.
D.h. nach unserem Verständnis, dass der Bezirk auch kein Vorkaufsrecht mehr geltend machen kann, denn dieses bezieht sich nur auf ganze Häuser, nicht aber auf einzelne
Wohnungen nach der Teilung eines Hauses.
Allen Mieterinnen und Mietern liegen Vorkaufsverträge vor.
Die Preise sind sehr hoch angesetzt. Es gibt unterschiedliche Angebote,
bezogen auf den Quadratmeterpreis.
Die Mieter/innen-Gemeinschaft hat einen Anwalt beauftragt
Putzsanierung:
http://www.stuck-reischuck.de/projekte/putzsanierungen/wrangelstr-66-taborstr-8/
Berlin Wrangelstrasse Nr.66b
Über das Buch
Projektbeschreibung zu „Berlin Wrangelstrasse 66b“
Diese Bilder sind entstanden in einer Berliner Wohnung im Stadtteil Kreuzberg im Sommer 2011. Es ist nicht meine Wohnung, aber es hätte auch meine sein können. Diese Wohnung existiert so nicht mehr. Die Bewohner sind ausgezogen, die Wohnung wird saniert.
Ich bin in Berlin aufgewachsen, im Ostteil der Stadt, in alten unsanierten Wohnungen mit zusammengewürfelten Einrichtungsgegenständen, die irgendwo übrig waren. Mit Außentoilette auf der halben Treppe, Lichtschaltern aus der Erbauungszeit des Hauses, im Winter vereisten Fenstern und an der Zimmerdecke überwinternden Schmetterlingen. Die Menschen mussten sich um vieles selber kümmern und waren (zwangsläufig) kreativ in der Einrichtung und Instandhaltung ihrer Wohnungen. Der Charme der alten Häuser, der Geruch der Treppenhäuser nach Holz und Bohnerwachs, die Individualität der Lebenräume – das sind Erinnerungen, die bei mir wach wurden als ich dieser hier gezeigt Wohnung zum ersten Mal betrat.
Heute hat sich die Stadt verändert und ist an allen Ecken moderner geworden.
Es gibt fast keine unsanierten Häuser mehr, keine billigen Wohnungen, keine selbstgestalteten Räume; Freiräume.
In den modernen Wohnräumen sind Einbauküchen und geflieste Bäder stilgebend.
Da man eh wohl bald wieder ausziehen muß, wird man sich nicht die Arbeit machen, die Wände arg zu verändern, denn man müsste das ja alles wieder renovieren.
Und so leben wir in Raufasertapeten und Ikeaträumen.
In Berlin. Der Hauptstadt der Kreativen.
Diese Wohnung in der Wrangelstrasse 66 war die letzte ihrer Art in meinem Freundeskreis. Nach 3 Jahren zermürbendem Kleinkrieg mit den neuen Hausbesitzern ist die Bewohnerin nun ausgezogen. Im Erdgeschoß sitzt seit kurzem eine Designagentur; modern und strahlend hell.
In meiner Fotoarbeit habe ich die Einmaligkeit dieser Wohnung als Erinnerung für die Bewohnerin festgehalten. Ich habe aber auch Bilder geschaffen, die unabhängig von dieser konkreten Person eine Lebensart beschreiben. Eine Art zu Leben, die langsam aber sicher nur noch in unserer Erinnerung existiert. Das nun schon „alte“ Berlin.
Anna Maria Rippl
freischaffende Fotografin
Berlin
20 Jahre Wohnungslosentagesstätte des Bürgerhilfe e.V.