„Energetische Sanierung“ ist ein Brecheisen zur Vertreibung von Altmietern

Es ist ganz klar: Verdrängung von Menschen aus lang bestehenden Mietverträgen ist das Hauptziel der profitorientierten Wohnungswirtschaft, denn im engen Wohnungsmarkt gibt es kaum anderes Potenzial zur Preissteigerung.

Warum werden die alten Mieter/innen verdrängt?

In Berlin und vielen anderen Städten bestehen enge Wohnungsmärkte. Immobilienfirmen können gar nicht so schnell neue Wohnungen bauen, wie sie gebraucht werden. Dies führt nach den Gesetzen der Marktlogik zu starken Preissteigerungen auf den Wohnungsmärkten. Je mehr Menschen Wohnungen suchen, desto höher werden die Preise.

Da sollte man denken, dass in einem solchen Markt alle ordentlich verdienen können, doch es geht um etwas anderes. Es geht darum immer „mehr“ zu erwirtschaften. Es reicht nicht gut zu verdienen, sondern die Konzerne müssen ihren Wachstumskurs dokumentieren. Jedes Jahr muss mehr erwirtschaftet werden, als im Jahr davor. In einer Pressemitteilung der Dahler & Company liest man: „Ohne ausreichend Angebote auf dem Wohnungsmarkt kann die nach wie vor hohe Nachfrage nicht gedeckt werden und [dies] führt zu sinkenden Verkaufszahlen.“
Doch womit soll die Immobilienwirtschaft ordentliche Zuwächse verbuchen, wenn es kaum Wohnungen gibt, die neu vermietet werden können?

Die Lösung ist leicht: Da gibt es doch überall diese Altmieter/innen, die seit Jahrzehnten in riesigen Wohnung leben und fast nichts dafür bezahlen, weil die Viertel, in denen sie leben damals unattraktiv waren. Da wo früher niemand leben wollte, wollen jetzt alle hin. »Es gibt kein Grundrecht auf günstige Mieten in besten Lagen!«* Diese Leute müssen aus diesen Wohnungen raus, damit darin Menschen leben können, die angemessene Mieten bezahlen können. (*Originalzitat von Dirk Wohltorf vom Immobilienverband Deutschland)

Im Film wird deutlich, welchen Eingriff ins Leben der Menschen es darstellt, wenn Hausbesitzer Mieter/innen raushaben wollen, um die Immobilien „wirtschaftlich aufzuwerten“. Dass auf die Mieter/innen solch heftiger Druck ausgeübt werden kann, ist nur möglich, weil das Förderungsgesetz zur energetischen Sanierung, den Investoren die Möglichkeit gibt, gegen den Willen und den Bedarf der Anwohner, in den Häusern Luxus-Sanierungen durchzuführen. Der Film dokumentiert den Fall in der Kopenhagener 46 und die dortige Hausgemeinschaft hat auch einen sehr informative Website erstellt.

Nur wie kann man Altmieter/innen verdrängen?

Die Politik hat mit der Förderung der „energetischen Sanierung“ eine Art Brecheisen zur Zerstörung alter Mietverträge zurechtgelegt. Es mag ein gesamtgesellschaftlich sinnvolles Ziel sein, Energie einzusparen, um damit den CO2-Ausstoß eines Landes zu reduzieren, und auch den Gebäudebestand zu sanieren, mag prinzipiell sinnvoll sein, aber es kann kein angestrebtes Ziel sein, Menschen zu verdrängen!

Genau das passiert aber, denn obwohl die Gebäudesanierung staatlich gefördert wird, können die Vermieter die Kosten für die Baumaßnahmen als „Sanierungs- und Modernisierungsumlage“ mit bis zu 11 % der Baukosten auf die Miete umlegen. Da sollte man denken, die Kosten wären dann nach einiger Zeit abbezahlt und dann würde wieder die alte Miete bezahlt, doch so viel Logik ist leider zu viel erwartet. Die Miete kann danach auf dem hohen Niveau bleiben – auch völlig unabhängig vom Mietspiegel. Also, was passiert natürlich? Vermieter verballern so viel Geld in irrwitzige Modernisierungen wie möglich, denn sie können nur gewinnen. Die Mieter müssen es bezahlen und hinterher sind die Mieten auf Topniveau. Umgekehrt werden die hohen Mieten nach Modernisierungsmaßnahmen übrigens in den Mietspiegel eingepreist und so ziehen die Sanierungsobjekte den Preis der ganzen Gegend hoch – und das sehr schnell. Auf Seite der Haus- und Grundbesitzer gibt es also nur Gewinner.

Energetisch begründete Luxus-Sanierung wirkt verdrängend.

Doch ›kostenneutrales Investieren‹ will gelernt sein. Die Immo-Wirtschaft warnt:Generell gilt: eine Mieterhöhung wird nach einer Modernisierung erst rechtmäßig, wenn durch die Sanierungsmaßnahme Energiekosten eingespart werden können oder die Wohnqualität entscheidend verbessert wird. Instandhaltungen oder Reparaturen gelten nicht als Modernisierung.“ Als umlagefähige Kosten können z.B. auch alle Maßnahmen angerechnet werden, „die die Wohnqualität verbessern oder den Gebrauchswert der Wohnung erhöhen: zum Beispiel Schallschutzmaßnahmen, die Errichtung eines Balkons, der Einbau eines Aufzugs oder der Ausbau von Grünanlagen.“

Kann man sich vorstellen, dass die Politik ein Gesetz macht, das Instandsetzung unattraktiv macht, Luxus-Sanierung aber höchst attraktiv? Nun, man muss es sich nicht vorstellen, man kann es sich durchlesen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW bietet viele Förderungen im Rahmen des politischen Förderprogramms an, und in quasi allen Fällen, in denen energetischen Gebäudesanierung betrieben wird, steckt staatliche Förderung in den Investorenprojekten. In den Kiezen kommt das staatliche Fördergeld dann in Form von sozialem Druck an.

Hausbesitzer haben seit der Einführung des Gesetzes und mit Förderung des Staates leichtes Spiel: Mit nervenden, und und oft fragwürdigen Baumaßnahmen können sie Mieter/innen belasten, und schließlich über die Umlagefähigkeit der Kosten deutlich erhöhte Mieteinnahmen durchsetzen. Doch so richtig rechnet sich das Modell für Vermieter erst, wenn die Altmieter/innen dabei auch noch verdrängt werden und die Wohnungen zu neuen, extrem gesteigerten Preisen vermietet werden können.

Von Architekten hören wir immer wieder, dass die Immo-Firmen bei der Beauftragung von Wohnhaussanierungen von vornherein Zeiten zum Nerven der Mieter/innen einplanen. Je höher die Belastung, mit Schmutz, Lärm, Heizungsausfällen usw., desto zielführender.

Alles nur Polemik und Populismus: In Wahrheit hilft die Wohnungswirtschaft gegen die Wohnungsnot.

Luxuswohnungen-Bauschild_smallJa das hört man immer wieder von Seiten der Investoren und der Politik: „Man muss auch mit dem Neubau von Wohnungen Geld verdienen können“ (Zitat von Justizminister Heiko Maas zur Begründung warum die Mietpreisbremse nicht für Neubau gilt)  und „Private Investoren stemmen mit 6000 bis 7000 Wohnungen aktuell den größten Teil [des Wohnungsneubaus in Berlin] und das wird wohl auch so weitergehen“ (Zitat von Maren Kern, Chefin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen – BBU). Nur leider ist für die Immobilienwirtschaft bei Neubau eigentlich nur das obere Preissegment interessant, denn nur bei Verkaufspreisen von über 4.000 € sind ordentliche Gewinne zu realisieren. Die Folge ist, dass quasi auf jedem Bauschild steht: »Hier entstehen Luxus-Apartments«.

Dazu noch ein Zitat aus der oben erwähnten Pressemitteilung der Dahler & Company: Björn Dahler, Geschäftsführer von Dahler & Company, sieht der Entwicklung auf dem Premiumimmobilienmarkt positiv entgegen: »Die Dynamik im Markt der Premiumimmobilien ist auch in 2015 weiterhin hoch. Anhaltspunkte für ein Nachlassen sind derzeit nicht zu erkennen.«

Aber die Immo-Wirtschaft will auch denen, die sich den Luxus nicht leisten können, die Angst nehmen. Ihr Argument: In die neuen Luxus-Wohnungen ziehen Menschen ein, die woanders eine Wohnung aufgeben. Dort können Menschen nachziehen, die sich den Neubau-Luxus nicht leisten können.

Klingt logisch, ist es aber nicht. Denn in aller Regel, werden leerstehende Wohnungen sofort „aufgewertet“ – also saniert und modernisiert – so dass sie anschließend viel teurer neuvermietet werden können. Dass der Umzug-schafft-Platz-für-sozial-schwächere-Effekt nicht auftritt ist auch wissenschaftlich bewiesen. Andrej Holm, Berlins renommiertester Stadtsoziologe sagt dazu: »Im Moment sorgt ein Umzug immer nur für zwei hohe Mieten: Einer zieht in einen teuren Neubau und ein Anderer in dessen alte, nun verteuerte Wohnung.«

Warum ist der Wrangelkiez so ein heißes Pflaster?

Die Begründung steht vorbildlich im Wohnmarktreport Berlin 2015″ der Berlin Hyp: unter der Überschrift Höchstwerte im oberen Marktsegment: Vor allem die beiden benachbarten Gebiete Görlitzer Park und Wrangelstraße sind ausgesprochene Szeneviertel, die bei jüngeren und auch bei ausländischen Neuberlinern besonders bekannt und beliebt sind. Vor dem Mauerfall lagen sie in einem toten Winkel Westberlins und zeigten eine schwache wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Inzwischen verlangen Anbieter im oberen Marktsegment südlich und westlich des Görlitzer Bahnhofs die höchsten Angebotsmieten Berlins: Der Mietmittelwert für das oberste Zehntel hat als bisher einziger in der Stadt die Marke von 20,00 Euro pro Quadratmeter überschritten.

Auch die Zeitschrift Capital empfiehlt in ihrem Immobilienkompass Kreuzberg als eine der »besten Lagen« um jetzt noch zu investieren. Als Investor soll man aber aufpassen, denn: Außerhalb der beliebten Viertel scheint sich der Markt zu stabilisieren. »Die Preise haben ihren Zenit erreicht«, sagt GBI-Chef Bode. Wer Kapital anlegen will, sollte daher genau hinschauen, wo und was er kauft. »Berlin hat ein verhältnismäßig niedriges Mietenniveau«, sagt Zimdars. »Die Kaufpreise dagegen sind davongaloppiert.«

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ach doch, da fällt mir ein Satz ein, den der Filmemacher Matthias Coers bei einer Bizim Kiez Versammlung gesagt hat: »Jede Verdrängungsgeschichte fängt immer mit dem gleichen Satz an: Das Haus wurde an einen neuen Eigentümer verkauft«. Ja so ist das: Investoren-Interessen sind nicht die Interessen der Anwohnerschaft. Konflikte sind unvermeidlich.

Was können wir gegen den Ausverkauf unserer Kieze tun?

Andrej Holm rät dazu, die gleiche Taktik anzuwenden, die von den Investoren angewendet wird:
Man muss nerven, und die Kosten in die Höhe treiben!
Investoren versuchen meistens ein Klima der Angst und der Verunsicherung in einem Haus zu etablieren, weil sie wissen, dass viele Mieter nur Ruhe wollen und dem Druck nicht standhalten. Sie schicken nervende Briefe, die Glauben machen sollen, dass man nur mit anwaltlicher Hilfe antworten kann, sie führen Baumaßnahmen herbei, die stark belastend sind und vieles mehr. Wir haben einige Tipps wie man gegen diesen Verdrängungsdruck vorgehen kann zusammengetragen.

Unsere aktive Arbeit geht in zwei Richtungen: Richtung Öffentlichkeit, um die Ungerechtigkeiten aufzuzeigen, und Richtung einzelne Investoren (wie im Beispiel Ioannis Moraitis, der Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, die unseren Gemüseladen Bizim Bakkal verdrängen wollte). Auch gegen die Baumaßnahmen sind Mieter/innen nicht chancenlos. Mit dem Erwirken von einstweiligen Verfügungen können Baustellen auch für die Bautätigen richtig nervig werden.

Jedenfalls gibt es keinen Grund sich erschrecken zu lassen. Als zusammenarbeitende Mieter/innengemeinschaft kann im Einzelfall viel erreicht werden.

Den Protest organisieren und die Politik adressieren

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Die Bizim Kiez Nachbarschaft hat einigen Erfolg, aber wir sind uns im Klaren, dass die paar wenigen Einzelfälle den Trend nicht umkehren. Deshalb braucht es eine größere Gruppe, die sich als gemeinsame Kraft aufstellt. Ein Mittel zum Aufbau einer größeren Gruppe ist unsere Petition: „Wir sind die Stadt! Stoppt die menschenfeindliche Immobilien-Spekulation. #bizimkiez“

Wir bitten alle Menschen, denen daran liegt, in den Städten lebendige Strukturen zu erhalten sich an dieser Petition zu beteiligen.

Jetzt die Petition unterstützen 


Jetzt lesen:
Warum das Land Berlin von den Verdrängungsprozessen profitiert, und warum Mieter/innen in dieser Stadt keine Lobby haben.