ND: »Meckern ist Zeitgeist«

20.8.2015 – Zeughofstr. 20

Hausbesitzer in Kreuzberg will Modernisierung und Mieterhöhung gerichtlich durchsetzen. Mehrere Parteien eines Hauses wehren sich gegen Mieterhöhungen.
Am Mittwoch fand der erste Verhandlungstag vor Gericht statt.

Von RainerBalcerowiak

Die erste Verhandlung über die Zulässigkeit der geplanten Modernisierungen in der Zeughofstraße 20 in Kreuzberg endete am Mittwoch vor dem Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof ohne Ergebnis. Der neue Besitzer, ein Münchener Rechtsanwalt, hatte den Mietern im Dezember 2014 umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Vier Parteien verweigerten die Zustimmung und wurden daraufhin auf Duldung verklagt.

Im am Mittwoch verhandelten Fall sollte die Nettokaltmiete durch die Modernisierung auf 10,16 Euro pro Quadratmeter steigen. Bislang zahlte der Mieter in der unsanierten Altbauwohnung ohne Zentralheizung lediglich 2,50 Euro. Ein späteres Angebot des Besitzers sah vor, die Miete zunächst auf acht Euro und dann in zwei Jahresschritten auf zehn Euro zu erhöhen, was der Mieter ablehnte.

Das Haus befindet sich in einem Milieuschutzgebiet, daher prüft die zuständige Bezirksbehörde derzeit unabhängig von den Prozessen die Zulässigkeit der geplanten Baumaßnahmen. Luxusmodernisierungen können in derartigen Gebieten untersagt werden, um die Verdrängung von Mietern durch explodierende Kosten zu vermeiden. Da sie einer baurechtlichen Entscheidung nicht vorgreifen wolle, könne sie derzeit auch nicht über die Duldungsklage entscheiden, stellte die Richterin zur Prozesseröffnung klar.

Sie regte daher an, einen Vergleich über die künftige Miethöhe zu schließen. Ein schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellte. Denn der Mieter und sein Anwalt halten einige Maßnahmen, wie z.B. den Einbau neuer Steigleitungen, isolierverglaster Doppelkastenfenster und eines Fahrstuhls im Hinterhof für nicht oder nur teilweise umlagefähig. Nach langwieriger Erörterung aller Einzelposten schlug die Richterin schließlich eine Nettokaltmiete von 6,81 Euro nach der Modernisierung vor. Der Besitzer akzeptierte dies, die Gegenseite wollte aber nicht über sechs Euro hinausgehen und erbat sich Bedenkzeit. Kommt es zu keiner Einigung zwischen den Parteien, wird das Verfahren in einigen Monaten fortgesetzt.

An dem betreffenden Haus sind einige Bauarbeiten bereits in vollem Gange. Im Zuge des Umbaus eines Gewerbekomplexes im Hinterhof, wo Lofts entstehen sollen, wurden Gasleitungen und die Entlüftung der Kohleöfen im Vorderhaus gekappt. Mehrere Mieter konnten plötzlich nicht mehr heizen, kochen und warmes Wasser zubereiten. Nur durch
einstweilige Verfügungen konnte erreicht werden, dass keine weiteren Mieter von der Gasversorgung abgeschnitten werden. Ein gerichtliches Verbot weiterer Abrissarbeiten auf dem Dach musste mit einem Polizeieinsatz durchgesetzt werden. Der Besitzer räumte diese Vorfälle auf nd-Nachfrage ein. Man könne sie aber nicht isoliert betrachten. Das Haus sei durch Vernachlässigung und Pfusch vollkommen herunter gewirtschaftet, was eine aufwendige Sanierung bis hin zum Mauerwerk erforderlich mache. Er wolle einfach nur »konstruktiv ein Haus vor dem Untergang retten und auf ein zeitgemäßes Niveau heben«. Die nach der Modernisierung anfallenden Mieten von bis zu 14 Euro pro Quadratmeter seien zudem in Kreuzberg marktüblich. Dennoch habe er eine Deckelung auf zunächst acht Euro angeboten. Aber das »Meckern über die bösen Eigentümer« entspreche »gerade dem Zeitgeist«.

Rainer Balcerowiak schreibt auch fürs Mieter-Echo
Berlin ND 20.8.2015 S.11