Das Vorkaufsrecht des Bezirks in Milieuschutzgebieten

Investoren kaufen ein Haus nach dem anderen auf, um damit zu spekulieren. Kann der Bezirk eigentlich gar nichts dagegen machen? Doch, er kann! Stadtbezirke haben bei Hausverkäufen nämlich unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit, den privaten Käufern zuvorzukommen und die Immobilie zu erwerben. Auch Läden wie Bizim Bakkal könnte so geholfen werden. Wie das genau geht, haben wir in diesem Artikel zusammengestellt.

Um was geht es:

Den Gemeinden steht in Milieuschutzgebieten unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht für Grundstücke zu (in Berlin den Bezirken). Verkauft ein Eigentümer ein Grundstück an einen Dritten, kann der Bezirk ein solches Vorkaufsrecht ausüben und tritt damit an die Stelle des Käufers in den Kaufvertrag ein. Das Vorkaufsrecht kann auch zugunsten Dritter
ausgeübt werden – z.B. in Kooperation mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.

Gesetzesgrundlage: Das Vorkaufsrecht und damit in Verbindung stehende Regelungen sind in
Paragraph 24 bis 28 des Baugesetzbuches (BauGB) geregelt.

Anwendung:

Das Vorkaufsrecht darf nur dann ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Es muss also ein öffentliches Interesse vorliegen, das das Vorkaufsrecht erforderlich macht. In Milieuschutzgebieten kann der Schutz vor Verdrängung und der Erhalt preiswerten Wohnraums angeführt werden. Nimmt der Bezirk sein Vorkaufsrecht wahr, dann kommt der Vertrag zwischen dem Verkäufer und dem Bezirk grundsätzlich zu den
Bedingungen zustande, auf die sich der Verkäufer und der ursprüngliche Käufer geeinigt hatten. Allerdings ist strittig, ob das auch uneingeschränkt für die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises gilt. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat für die durch die bundeseigene BImA zum Höchstpreis verkauften Häuser in der Großgörschen- und Katzlerstraße vor Kurzem sein Vorkaufsrecht erstmalig mit Unterstützung des Landes Berlin wahrgenommen.
Dabei hat es nicht den ursprünglichen Preis angesetzt, sondern den durch ein Gutachten ermittelten niedrigeren Verkehrswert. Die bundeseigene BImA hat daraufhin Klage gegen den Bezirk angekündigt. Der Ausgang ist noch offen.

Vorkaufsrecht zugunsten Dritter:

Das BauGB lässt ebenfalls zu, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ausübt. Das können z.B. „öffentliche Bedarfs- und Erschließungsträger“ sein, insbesondere wenn die zu erwerbende „Wohnbebauung für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf genutzt werden soll“. Die im BauGB genannten Träger wären in Berlin z.B. die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Der begünstigte Dritte muss entsprechende
Verpflichtungen eingehen, die den Milieuschutzzielen entsprechen.

Abwendungsvereinbarung:

Erklärt eine Gemeinde bzw. Bezirk, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen, dann muss es nicht immer zum Ankauf kommen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine sogenannte Abwendungsvereinbarung mit dem ursprünglichen Käufer zu schließen. Darin verpflichtet er sich, bestimmte Ziele zu erfüllen, die z.B. den Zielen des Milieuschutzes entsprechen – etwa der Schutz vor Verdrängung durch den Erhalt von preiswertem Wohnraum. In Hamburg und München – die im Gegensatz zu Berlin das Instrument des Vorkaufsrechts schon seit vielen Jahren strategisch nutzen – wird in den meisten Fällen eine solche Abwendungsvereinbarung geschlossen. Nur selten werden Häuser tatsächlich gekauft. Aber: wenn die Drohkulisse fehlt, dass im Zweifelsfall auch aufgekauft wird (wie in Berlin aufgrund der unglücklichen Blockade zwischen Senats- und Bezirksebene), dann wird sich kein Investor auf eine Abwendungsvereinbarung einlassen, da er weiß, dass die Bezirke derzeit ihr Vorkaufsrecht meist aus strukturellen Gründen nicht wahrnehmen können (s.u.).

Probleme bei der Ausübung des Vorkaufrechts:

Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden. Und darin liegt leider oft das Problem: die Bezirke sind nicht in der Lage, in diesem kurzen Zeitraum die notwendige Finanzierung bereitzustellen – womit die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts oft praktisch scheitert. Die einfachste Lösung wäre die Unterstützung durch die Landesebene: der Senat könnte z.B. durch einen Wohnungsankauf-Fonds die notwendigen finanziellen Mittel kurzfristig bereit stellen. Außerdem kann das Vorkaufsrecht durch die Bezirke auch zugunsten Dritter ausgeübt werden, z.B. zusammen mit Wohnungsbaugesellschaften. Aber auch hier gilt: der einzuhaltende Zeitrahmen ist meist zu knapp, um die notwendigen Entscheidungen auf allen
Ebenen zu organisieren, so dass diese gemeinsam mit den Bezirken das Vorkaufsrecht innerhalb von zwei Monaten ausüben können.

Für die Bezirke besteht der bei der Ausübung zu Gunsten Dritter außerdem das Problem, dass sie die Haftung übernehmen. Fällt z.B. der Kooperationspartner aus, dann muss der Bezirk die entstandenen Kosten und den Verkaufspreis aus dem Bezirkshaushalt aufbringen, wofür es schlichtweg kein Geld in den Bezirken gibt (die Bezirkshaushalte sind Teil des Landeshaushalts, es besteht keine Haushaltsautonomie wie in „klassischen“ Gemeinden, die Bezirke können z.B. keine Schulden aufnehmen oder eigene Steuern erheben, sie bekommen ein pauschale Zuweisung von Geld, dass sie ausgeben dürfen und meist zu sehr großen Teilen zweckgebunden ist, ebenso muss bei Grundstücksgeschäften in gewissen Größenordnungen das Abgeordnetenhaus zustimmen).