Der Präzedenzfall ist offiziell etabliert – die Gewobag kauft das Haus *Wrangel Str.66* im Rahmen des kommunalen Vorkaufrechtes

Ein gemeinsamer Erfolg für die Mieter,
der protestierenden Nachbarschaft,
den Verantwortlichen im Bezirksamt,
und last but not least für die Zukunft
des gesamten Kiezes


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Wrangel Str. 66, 10997 Berlin Kreuzberg, Wrangelkiez, Foto: Thilo Rückeis

Im Sommer 2015 alarmierten die empörten wie ebenso geschlossen und energisch auftretenden Mieter des Hauses Wrangelstr. 66 im Milieuschutzgebiet Luisenstadt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, weil ihre Wohnungen an einen weiteren Investor verkauft werden sollten. Für 30 Mietparteien sollten deren 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen in Eigentum umgewandelt werden und vom aktuellen Eigentümer an einen Investor aus Luxemburg, der „Riva Residential“, auf geschickte Weise weiterverkauft werden. Die Mietergemeinschaft schaltete das Bezirksamt ein.

Nach vielen meetings im Bezirksamt (BVV) und Gesprächen über Monate hinweg, u.a. mit Wohnbaugesellschaften und Stiftungen, den Politikern – aber auch durch den Öffentlichkeitsdruck, der massgeblich durch Bizim Kiez seit Sommer 2015 aufgebaut wurde, konnte in letzter Minute vor Ablauf der Zweimonatsfrist und noch kurz vor Jahresende 2015 den Wohnungsspekulanten ein dicker Strich durch ihre Rechnung gemacht werden.

Das Bezirksamt stoppte den Deal in dem es erstmalig von seinem Vorkaufsrecht im Rahmen des Milieuschutzes Gebrauch machte. Zuvor hatte es der potentielle Käufer abgelehnt, in einer sogenannten „Abwendungserklärung“ den sozialen Standard für das Haus im Milieuschutzgebiet Luisenstadt zu garantieren. Wie nicht anders zu erwarten hatten die Eigentümer hiergegen zunächst Klage eingereicht.

Jetzt, Ende August 2016, lässt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt mit folgender Presserklärung offiziell den erfolgreichen Ankauf des Hauses durch die GEWOBAG verkünden:

PRESSE UND AKTUELLES

Mehr Schutz vor Verdrängung – die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag kauft die Wrangelstraße 66 im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg

26.08.16, Pressemitteilung
Auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrates der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag erhielt am 25.08.2016 der Vorstand der Gewobag die Zustimmung zum Kauf des Gebäudes in der Wrangelstraße 66 in Berlin-Kreuzberg.

Nachdem der Bezirk im Dezember 2015 sein Vorkaufsrecht im Erhaltungsgebiet Luisenstadt geltend machte, wird mit dem jetzigen Aufsichtsratsbeschluss und Auftrag an den Vorstand der Gewobag zum Ankauf des Gebäudes sichergestellt, dass die 30 Wohnungen in der Wrangelstraße 66 nun in den kommunalen Wohnungsbestand der Gewobag überführt werden. Damit ist eine langfristige, soziale ausgeglichene Bewirtschaftung der Wohnungen gesichert und die ursprünglich geplante Verwertung der einzelnen Wohnungen des Gebäudes zu Höchstpreisen abgewendet.

Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel, begrüßt das Engagement der Gewobag zum Schutz der Mieter vor Verdrängung: „Der Kauf des Gebäudes durch die Gewobag beendet für die derzeit 20 Mieterhaushalte in der Wrangelstraße 66 eine Zitterpartie. Die landeigenen Wohnungsbaugesellschaften sind Garanten für den sozialen Ausgleich. Sie wirken mietpreisdämpfend und verhindern die Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus dem Stadtteil.“

Stadtrat Hans Panhoff zeigt sich erfreut, dass die verschiedenen Hürden bis zum jetzigen Ankauf trotz rechtlicher Streitigkeiten mit den Voreigentümern genommen werden konnten. „Die hier gelungene Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaft und die Unterstützung durch den Senat ermuntern den Bezirk, diesen eingeschlagenen erfolgreichen Weg weiter zu führen und das Instrument Vorkaufsrecht zum Erhalt gemischter Quartiere intensiv zu nutzen.“

Die Gewobag hat mit dem nun beschlossenen Ankauf des Gebäudes in einem Erhaltungssatzungsgebiet modellhaft dargestellt, wie Berlin seine landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften strategisch dafür einsetzt, die Gefahren eines überhitzten Immobilienmarktes zu Gunsten einer mietpreisdämpfenden Politik einzusetzen. Auch in anderen Erhaltungssatzungsgebieten Berlins wird die Stadt mit seinen Wohnungsbaugesellschaften wiederholt die Möglichkeit anwenden, zum Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung vor Verdrängung vom gemeindlichen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

DIESE PRESSMITTEILUNG ONLINEwrangelstr66_luftbild2016_620_0001

Wrangelstraße 66 im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg (Luftbild 2016)

Alles zur Wrangel Str. 66

 

Ein Kommentar zu “Der Präzedenzfall ist offiziell etabliert – die Gewobag kauft das Haus *Wrangel Str.66* im Rahmen des kommunalen Vorkaufrechtes

  1. Werner Rüdiger

    Mietpreisbremse, Ferienwohnungsverbot, Milieuschutz: alles Maßnahmen, die den galloppierenden Mietpreiserhöhungen entgegenstehen. Reicht aber alles nicht, weil dadurch nicht eine Wohnung mehr entsteht. Berlin hatte im ersten Halbjahr 2017 einen Zuzug von 50.000 Menschen. Demgegenüber stehen bis 2021 nur 30.000 „echte“ Neubauten. Die ominöse Zahl von 400.000 Wohnungen im Koalitionsvertrag kommen nur durch Zukäufe zustande , nicht durch Neubauten. Die Politiker argumentieren immer mit Zahlen, was schon geschehen ist, aber nie mit dem eigentlichen Bedarf. Das ist Schönrednerei, egal von welcher Partei. Natürlich hören sich die erfolgten „Millioneninvestitionen“ für den Laien beeindruckend an. Sie sind aber , gemessen an der Millionenstadt Berlin ein „Nichts“; vor Allem, wenn man mal endlich artikuliert , wieviel den fehlt!