Ausverkauf im Milieuschutzgebiet Nord-Neukölln: Sanderstraße/Ecke Hobrechtstraße

2018 erlebten die Mieter der Sanderstraße11/11a das ABC des Immobilienwahnsinns im Milieuschutzgebiet: Von A wie Ausverkauf bis Z wie Zeit läuft. Dem allgemeinen Trend des Ausverkaufs von bezahlbarem Wohnraum in Nord-Neukölln folgend, sollten die Wohnhäuser, zwei Vorderhäuser und ein Hinterhaus in der Sanderstraße/Ecke Hobrechtstraße, zu einem unangemessen hohen Preis verkauft werden.
Seit Anfang März 2018 kursierten Gerüchte um einen Verkauf. Die Hausverwaltung erbat Zugang zu einzelnen Wohnung, um potenziellen Käufern und Gutachtern Einblicke zu verschaffen. Wenngleich die Besichtigungen letztlich nicht zustande kamen, war die Mietergemeinschaft jedoch alarmiert. Sie organisierten und informierten sich. Früh standen sie im Kontakt mit anderen Häuserprojekten, Initiativen gegen den Ausverkauf der Stadt, den politisch Verantwortlichen, den städtischen Wohnungsbaugenossenschaften u.a.. Ende Mai 2018 erfuhren sie von der Unterzeichnung des Kaufvertrages. Weder waren die drei Wohnhäuser mit zwei Gewerben in dem Portfolio des Maklers ausgewiesen, noch die Kaufsumme bekannt. Bis dahin war ebenfalls die Hausverwaltung nicht informiert, so ihre Aussage. Nach Einsichtnahme in das Grundbuch war nun auch der Name des potenziellen neuen Eigentümers bekannt: Armin Otto Heinrich Hofmann. Ausführliche Recherchen ergaben, dass er mit einer Reihe von verzweigten Unternehmen als Firmeninhaber oder Geschäftsführer in Verbindung steht.

Die Milieuschutz-Vereinbarung sieht vor, dass eine Abwendungsvereinbarung von dem Bezirksstadtrat (Neukölln) aufgesetzt werden kann, dem potenziellen Käufer zugeht, und somit den Weg für das Vorkaufsrecht für Dritte ermöglicht. Die Abwicklung des Vorkaufsrechts liegt bei dem zuständigen Baustadtrat, hier Jochen Biedermann, der die Abwendungsvereinbarung fristgerecht an Herrn Hofmann leitete. Unterschreibt dieser die Vereinbarung im Sinne der sozialen Erhaltung im Milieuschutz-Gebiet, kann er das Vorkaufsrecht abwehren. Dazu stehen ihm zwei Monate Bedenkzeit zur Verfügung. Am letzten Tag dieser Frist reichte der potenzielle Käufer die Abwendungserklärung beim Bezirksstadtrat ein, allerdings nicht in der vom Stadtbaurat geforderten Form. Im Falle der Sanderstraße11/11a prüft das Bezirksamt, ob diese Erklärung in der von dem potenziellen Käufer eingereichten Form ausreichend ist. Dies ist der aktuelle Stand.

Ohne die Aktivitäten von Mieter*innen, Initiativen wie Bizim Kiez u.a., der Politik, wären die Häuser bereits verkauft, wie es vielerorts stillschweigend geschieht. Die Mieter*innen der Sanderstraße zeigen, dass es sich lohnt, sich zu wehren. Sie erinnerten den Berliner Senat und das Bezirksamt an die Milieuschutz-Vereinbarung. Sie erkundeten mögliche Finanzierungsmodelle für Drittkäufer, vernetzten sich mit anderen Betroffenen, suchten die Öffentlichkeit mit der Veranstaltung „Gemeinsinn als Mietmodell“, informierten andere Betroffene und teilten so dieses Spezialwissen. Es gilt im allgemeinen Ausverkauf der Stadt, bezahlbaren Wohnraum für alle 34 Mietparteien zu sichern, und so den Kiez nicht dem Profitstreben preiszugeben!

Die Mieter*innen der Sanderstraße11/11a sind „born Berliners“ und Zugezogene, Student*innen und Rentner*innen, Musiker*innen und Gestalter*innen, Sozialarbeiter*innen und Architekt*innen, freie Kunstschaffende und Beamt*innen, Handwerker*innen und Forscher*innen. Sie alle wollen bleiben. Es wird jedoch zunehmend schwieriger: Die Mieter*innen in der Sanderstraße11/11a erhielten vor zwei Jahren Mieterhöhungsverlangen nach dem Berliner Mietspiegel und bereits vor einigen Jahren wurden die Mietverträge mit zwei alteingesessenen Gewerben verändert und neue zogen ein. Der Kiez rund um die Sanderstraße, den Kotti und den Landwehrkanal ist für sie neue und alte Heimat. Bereits in den vergangenen Jahren haben sie die Veränderung erlebt – von einem reinen Wohngebiet mit alteingesessenen Gewerbe, auch hier um die Ecke am Kotti, hin zu einer Kaskade von Cafès, Bars und Restaurants, von einer ruhigen Seitenstraße hin zu dem Trubel des Nachtlebens und mit der drohenden Nachbarschaft vom Google-Campus rund 5 Minuten fußläufig entfernt. Dieser konnte, dank einem lautstarken Protest und der Initiative Google ist kein guter Nachbar, vorerst verhindert werden.

 

Mail an die Mietergemeinschaft

 


Veranstaltung:
02.07.2018: „Gemeinsinn als Mietmodell“
20.10.2018: „Mietenpolitischer Spaziergang“ mit Die Grünen

Medienecho:
27.06.2018 Bezirks-Newsletter Neukölln (Tagesspiegel)
29.06.2018 „Neuer Hauseigentümer …“ (Tagesspiegel) 
02.07.2018 „In Nord-Neukölln bangen Mieter …“ (Mopo) 
26.07.2018 „Weiter steigende Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen auch in Neukölln erwartet“ (Facetten-Magazin)
2018 „Kein Ausverkauf von Neukölln. Sanderstraße 11: Bezirk macht erneut Gebrauch von Vorkaufsrecht“ (Neues Deutschland)

Pressemitteilungen:
20.06.2018:  „Ausverkauf im Milieuschutzgebiet Nord-Neukölln“
25.06.2018: „Kundgebung – Gemeinsinn als Mietmodell“