Brandbrief: Forderung Rekommunalisierung und Verhandlung über kombinierte Nutzungen mit den Nachbarschaften
Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren der Nachbarschaft fordern wir die Rekommunalisierung der ehemaligen Kurt-Held-Schule in der Görlitzer Str 51. Um dieser Forderung argumentativ Nachdruck zu verleihen, haben wir diesen „Brandbrief“ veröffentlicht, woraus der dringende Bedarf für Raum für Bildung und Betreuung im Kiez hervorgeht.
Sehr geehrte Verantwortliche des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, des Berliner Senats, der Eigentümer-GmbH der Görlitzer Straße 51:
Sehr geehrte Frau Monika Herrmann, sehr geehrter Herr Florian Schmidt, sehr geehrte Frau Elke Breitenbach, sehr geehrter Herr Klaus Engelbrecht-Schnür,
am Samstag, den 17.11.2018 haben im Rahmen des widerständigen Laternenumzugs gegen Verdrängung in der Görlitzer Straße 51 über 500 Nachbar*innen gemeinsam Ihre Forderung nach der Rekommunalisierung der ehemaligen Kurt-Held-Grundschule bekräftigt.
Insbesondere teilen die Bewohner*innen die folgenden Einschätzungen (aus der Rede vor der Görlitzer Straße 51 am 17.11.2018 im Rahmen des Laternenumzugs gegen Verdrängung):
»Gebäude der ehemaligen Kurt-Held-Grundschule gehören nicht Einzelnen, die damit Profit machen, sondern allen, allen Nachbar*innen – egal woher sie kommen, egal wie jung oder alt sie sind, unabhängig davon wieviel Geld sie haben.
Wir weihen diesen Ort symbolisch heute ein, weil er den Nachbar*innen gehörte und endlich wieder gehören muss: Heute erzählen wir die Geschichte dieser Schule also weiter – und zwar so wie sie sein soll: 2005 musste der Bezirk die Schule verkaufen. Weil ein absurder Strafzins auf die damals „fehlende Voll-Auslastung“ bestand. Die Schule wurde in den Berliner Liegenschaftsfonds übertragen und 2006 privatisiert, die Gebäude wurden zur privaten Modeschule.
Im letzten Jahr – 2017 [kurz nach Ablauf der Spekulationsfrist] wurde die denkmalgeschützte Schule für 12,5 Mio verkauft. Der neue Eigentümer, der die ehemalige Kurt-Held-Grundschule hier hinter uns, Ende 2017 gekauft hat, wollte wissen was die Nachbarschaft denn braucht.
Wir brauchen unsere Räume. Nicht einen, nicht ein paar – sondern die gesamten 4.330m² werden dringend gebraucht. Wir wollen, dass diese Räume endlich wieder von denen genutzt werden, für die sie gebaut wurden.
2017 machten deshalb Bildungs- und Kiez-Kita-Netzwerke gemeinsam mit Bizim Kiez mit offenen Briefen, einer Petition und beim Laternenumzug darauf aufmerksam, dass uns hier in unseren Nachbarschaften Räume für soziale Einrichtungen und Betreuung und Bildung fehlen.
2018 brauchen wir noch immer und mehr denn je Räume – in denen wir begleiten, bilden, betreuen, pflegen, beraten – dort wo die staatlichen Leistungen dafür nicht genügen übernehmen viele Nachbar*innen in Selbstorganisation, in Kinderläden, Jugendprojekten, in der Vereins- und Initiativen-Arbeit diese Aufgaben. Wir hören zu, unterstützen und vermitteln und dafür benötigen wir dringend mehr Platz – nicht am Stadtrand – sondern genau hier in unseren Nachbarschaften.
Denn Kinderläden und andere soziale Einrichtungen in Gewerbemietverträgen sind massiv von Verdrängung bedroht – bei den aktuellen Quadratmeterpreisen von 40€ und mehr haben sie keine Chance. Sie finden keine Räume mehr in unseren Nachbarschaften. Noch dazu herrscht im offenen Ganztagsbereich der Fichtelgebirge Grundschule wie in vielen Kinderläden akuter Raummangel: die Lärm- und Stressbelastung und deren Folgen für die Kinder und Fachkräfte sind fatal.
Wie schon 2017 fordern wir, die Kreuzberger Nachbarschaften den Senat und den Bezirk erneut und dringend auf diese Gebäude hier und jetzt zurückzukaufen, zu Rekommunalisieren. Die Nachbar*innen hier im Kiez und ihre Einrichtungen, benötigen dringend Platz für Kinder, für Jugendliche, für Familien, für Menschen ohne Wohnung, für Beratung, Betreuung und Bildung.
Diese 4.330m² gehören in die Hände der solidarischen Nachbarschaften – sie stehen für keinerlei Profitinteresse zur Verfügung. Sie wurden von Vielen für Viele gebaut und dürfen nicht länger dazu genutzt werden, dass Einzelne mittels Steuersparmodellen, Steuervermeidung oder Spekulationsspiralen damit Gewinn machen.
Die Nachbarschaften fordern die Rekommunalisierung der Görlitzer 51 und eine gemeinsame Verhandlung über die Nutzungsmöglichkeiten der 4.330 Quadratmeter.«
Die folgenden akuten Bedarfe aus den Nachbarschaften wurden im Rahmen vom Bildungsnetzwerk Wrangelkiez-macht-Schule, dem Kiez-Kita-Netzwerk und der Regional AG SO36 ebenso wie von einzelnen Nachbar*innen konkret formuliert:
> Klein-Kinder: Kinderladen „Irgendwie Anders“ aus Oppelner Str. > Kündigung kommt voraussichtlich 2021 > könnte weitere Betreuungsplätze anbieten, wenn dann Räume in der G51 dafür zur Verfügung stünden (für ca. 50 Kinder 300m² innen und 200m² außen > sonst jetzt 24 Kinder auf 140m² + Außengelände) + Kinderladen Krümelkinder in der Cuvrystr. 39 hat eine Warteliste mit über 150 Kindern > ist von Raummangel betroffen und könnte 80 weitere Plätze anbieten + kunstpädagogische Ateliernutzung (> Raumbedarf 500m²)
> Grundschulkinder: OGB Fichtelgebirge Grundschule > 3 Klassenräume ca. 160-180m²
Info dazu von FG Schule Enno Ebbert:
Raumbedarf hätten wir für die Ganztagsbetreuung von den 4. bis 6. Klassenstufen voraussichtlich 3 Räume (Kooperationspartner PFH, der die Ganztagsbetreuung organisiert) und auch die Hallennutzung ab September als Ausgleich für unsere Turnhalle, die energetisch saniert wird. Räume hatte ich 3 Klassenräume angegeben, ca. 160 bis 180 m² und kleinen Raum als Büro und Aufenthaltsraum
> Lücke-Kindern (8-14J.): > offene Kinder- und Jugendarbeit in Kombination aus Probe-, Aufnahme-Raum und Ton- und Schnittstudio (Info und Kontakte dafür über Kiezanker 36 /PFH > Ansprechpartnerin: Esther Borkam)
> Jugendliche/ junge Erwachsene / Geflüchtete / Erwachsen / Senior*innen: Projekt „selbstbestimmtes Praxislernen“ intergenerativ für Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete (Projekt läuft voraussichtlich über Praktische Pädagogik e.V. > Ansprechpartner*in: Martina von Bizim Kiez)
(Projekt ist noch nicht finanziert + wird zeitnah Canan Bayram für Unterstützung vorgestellt)
> Menschen ohne Wohnung / ohne Obdach:
akuter Bedarf im Kiez – insbesondere für unterschiedliche Gruppen (Frauen, Alleinerziehende, suchtmittel-abhängige/erkrankte Menschen)
+ Atelier / Werkstatt / Ausstellungsraum ggf. mit Bühne
+ selbstbestimmtes Praxislernen als intergenerationales und integratives Projekt mit Geflüchteten und Nachbar*innen aller Altersgruppen
+ Drogenberatungsstelle
+ Lern-Küche und Kita-Versorgung
+ offene Lese-Werkstatt > Bibliothek
Vor dem Hintergrund dieser akuten Bedarfe und des massiven Raumbedarfs in unseren Nachbarschaften fordern wir den Rückkauf der denkmalgeschützten Schulgebäude, für eine gemeinsame Verhanldung über kombinierte Nutzungen der 4.330m² der ehemaligen Kurt-Held-Grundschule.
Bitte informieren Sie uns kurzfristig über den Stand Ihrer Verhandlung dazu.
Viele Grüße,
die aktiven und solidarischen Nachbarschaften