Kunst- und Gewerbehöfe Muskauer Straße 24 in Gefahr

Ökonomische Vertreibung, soziale Entmischung, kulturelle Enteignung: Ein Offener Brief der Mieter*innen an den Eigentümer und den Senat

Der offene Brief wird von zahlreichen Initiativen und von vielen Künstler*innen unterstützt (siehe Unterzeichner*innen-Liste)

Die Kunst- und Gewerbehöfe Muskauer Straße 24 sind eine echte Kreuzberger Mischung aus freien Ateliers und geförderten Ateliers des bbk (berufsverbands bildender künstler*innen), sozialem Unternehmertum und künstlerischen Produktionsstätten, die seit über drei Jahrzehnten besteht. Hier gingen mehrere Generationen von Berliner Künstler*innen ihrer Arbeit nach, in manchen der Ateliers wurde Berliner Geschichte geschrieben – der Dramatiker Heiner Müller verfasste hier seine letzten Arbeiten.

Nach Kündigung und gleichzeitigem Angebot einer 300%igen Mietsteigerung wenden sich nun die Mieter*innen der Muskauer 24 in einem offenen Brief an den Berliner Senat und an den Eigentümer Dr. Alexander Verowski. Keine der Mietparteien kann sich die geforderte Mieterhöhung leisten. Eine weitere wertvolle und einzigartige künstlerische und soziale Produktionsstätte in Kreuzberg droht zu verschwinden, um Platz zu machen für Start-ups und Spekulanten.

Die Verfasser*innen des offenen Briefes verstehen ihre Situation als Teil der aktuellen Entwicklung von ökonomischer Vertreibung, sozialer Entmischung und kultureller Enteignung im Stadtteil Kreuzberg: „Uns, den Künstler*innen und Gewerbetreibenden der Muskauer 24, droht heute ganz konkret die Vertreibung aus diesen Hinterhöfen Kreuzbergs, die wir jahrzehntelang aufgebaut haben, während die Politik zur gleichen Zeit Kultur- und Stadtentwicklungspolitik im Blindflug betrieb, um heute mit Schulterzucken auf das Gewerbemietrecht im Bund zu verweisen.“

Der Dramatiker Heiner Müller, dessen kulturelles Erbe auch nach seinem Tod das Haus prägt, wird zitiert: „Man braucht doch nur an die Mietgesetzgebung in der Bundesrepublik denken – was ist das anderes als Klassenkampf?“ Seine Tochter ist eine der Unterzeichner*innen.

Unterstützt wird der offene Brief zudem von 20 Initiativen und knapp 150 Unterstützer*innen, darunter große Namen und wichtige lokale Akteur*innen. Aus der Bildenden Kunst haben unter anderen Wolfgang Tillmans, Candice Breitz, Katharina Grosse sowie Anselm Franke und Stephanie Rosenthal unterzeichnet. Auch in den Darstellenden Künsten ist die Unterstützung prominent. Unter anderen unterstützen den offenen Brief Daniel Barenboim, Frank Castorff, Corinna Harfouch, Alexander Kluge, Shermin Langhoff und Clemens Schick.

Die Gemeinschaft der Künstler*innen und Gewerbetreibenden plant für Freitag den 22. Juni ab 18h ein Hoffest in der Muskauer Straße 24. Unter anderem wird Corinna Harfouch aus Texten Heiner Müllers lesen.


Hier Auszüge aus dem offen Brief als solidarische Veröffentlichung:

Mit dem Streit um Google und Zalando in Kreuzberg und Zehntausenden auf der Straße gegen den Mietenwahnsinn verschiebt sich in der ausufernden Berliner Immobilienkrise die Aufmerksamkeit: Denn nicht nur die Wohnungsmieten steigen in schwindelerregende Höhen, nun müssen zudem auch alteingesessene kleine Gewerbetreibende, Künstler*innenateliers, kulturelle Produktionsstätten und soziale Einrichtungen aus Kreuzberger Hinterhöfen weichen, um hochspekulativen Investments in Start-up-Firmen Platz zu machen.

Jetzt hat es auch die beiden Hinterhöfe der Muskauer Straße 24 in Kreuzberg getroffen. Der Besitzer des Gebäudes Herr Verowski, vertreten durch die familieneigene Hausverwaltung Biddex mit den Geschäftsführern Maximilian und Robert Verowski, will mitverdienen bei dem Boom, will „ortsübliche Mieten“ verlangen, spricht von „wirtschaftlichen Interessen“ und einem „guten Angebot“, nachdem er kurzerhand allen Mietparteien gekündigt hat, um ihnen im gleichen Zug dieselben Räume (ohne Instandsetzung o.ä.) für 300 Prozent Aufschlag wieder anzubieten.

Wir fordern vom Eigentümer des Gewerbehofes Muskauer Straße 24: Werden Sie dem Artikel 14 des Grundgesetzes gerecht. Die Muskauer Straße 24 wurde von Ihnen äußerst günstig erworben und über Jahre hinweg größtenteils durch die Mieter*innen in Stand gesetzt und in Schuss gehalten. Mit Ihrer disproportionalen Mieterhöhung zerstören Sie unwiederbringlich Existenzen und das, was Kreuzberg und damit Ihr Gebäude wertvoll macht. Herr Verowski, zeigen Sie Verantwortung und machen Sie ein für alle Beteiligten realistisches Angebot!

Wir fordern vom Berliner Senat in dieser Krisensituation, endlich Verantwortung zu übernehmen. Wir fordern einen wirksamen Milieuschutz für Kleingewerbe und sozio-kulturelle Einrichtungen und zwar mit sofortiger Wirkung! Die politische Verantwortung darf nicht weiter einfach an den Bund delegiert werden, sondern es müssen auf Senats- und Bezirksebene ab sofort robuste Zwischen- und Umgehungslösungen erarbeitet werden. Wir schließen uns zudem den Forderungen an, die von Bizim Kiez, Kotti & Co, Ora Nostra und Initiative Stadt von Unten bereits seit Längerem an die Berliner Politik gerichtet werden.

Offenen Brief der Mieter*innen der Muskauer 24 ansehen (PDF)

Medienecho

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