Aprilscherz zeigt kooperative Möglichkeiten zwischen Nachbarschaften und Investoren auf
Am gestrigen 31. März haben wir eine Pressemitteilung veröffentlicht, der zufolge der Investor der Nachbarschaft ein Kooperationsangebot unterbreitet hat. Wir schrieben, er wolle uns den Ladenraum des ehemaligen Bizim Bakkal zunächst mietfrei zur Verfügung stellen. Doch ein solches Angebot seitens des Herr Moraitis gibt es nicht – leider war unsere Meldung nur ein Aprilscherz.
Zu schön um wahr zu sein? Es wäre möglich!
Ein „Scherz“, der aufzeigt, dass es doch eigentlich ganz einfach sein könnte. Denn wäre das nicht eine wunderschöne Geschichte gewesen? Ein Eigentümer, der seine Profitinteressen nicht gegen die der Menschen im Kiez durchsetzt? Dem es reichen würde, bei einer Neuvermietung bei einer simplen „schwarzen Null“ zu landen? Wäre es nicht ein Leichtes, die Bedarfe der Anwohnenden vor der Neuvermietung von Gewerbeflächen zu ermitteln und zu berücksichtigten?
Lieber Herr Moraitis geben Sie sich einen Ruck und wechseln Sie auf die Seite der Menschen, die einen lebendigen Kiez und ein soziales Miteinander herbeiführen wollen. Sie haben den Schlüssel dafür in der Hand. Schließen wir gemeinsam diesen Weg auf. Lassen Sie uns hier im Wrangelkiez einen neuen Weg gehen – wir stehen für ernstgemeinte Gespräche zur Verfügung! Viele soziale Projekte, Vereine, Kitas suchen händeringend nach bezahlbaren Räumen und würden unser aller Zusammenleben (von Jung und Alt, von denen, die schon lange hier wohnen und von nach der Flucht hier Angekommenen …) in der Stadt bereichern. Ein Reichtum, der allen zu Gute käme und nicht nur einem. Dass der Laden nun leer steht, halten wir hingegen für einen schlechten Scherz!
Die Politik könnte, wenn sie wollte.
Wir wünschten, dass die Politik jenseits von Lippenbekenntnissen endlich auf die Nöte der Menschen reagierte und Gestaltungswille zeigte. Es müsste überhaupt nicht notwendig sein, in einem Aprilscherz auf Möglichkeiten hinzuweisen – der §15 BauNVO könnte in der Tat längst dahingehend reformiert sein, dass z.B. für den Wrangelkiez generell keine Neuansiedlung von Gastronomie mehr zulässig ist (Einfrieren des Status Quo), sondern nur noch die von bedarfsgerechtem, nahversorgenden Kleingewerbe. Denn einem grün regierten Bezirk sind nicht „die Hände gebunden“! Er könnte endlich Schutzmechanismen für bestehendes Kleingewerbe und soziale Infrastruktur (z.B. Kitas) verwirklichen. Der Milieuschutz ist zuerst Sache des Bezirks und böte auf kommunaler Ebene recht große Entscheidungs- und Steuerungsbefugnisse. So könnten die entsprechenden Milieuschutzgebiete deutlich ausgeweitet und dafür gesorgt werden, dass u.a. ein Gemüseladen in Zukunft weder in vermeintlich lukratives Wohneigentum noch in vermutet lukrative Gastronomie umgewidmet werden darf. Verdrängung ist kein Naturgesetz! Bürger/innen-Beteiligung ist realisierbar und gewünscht, wie z.B. die große Beteiligung an unserer Kampagne „Einer von 99 Läden im Kiez“ zeigt.
Liebe Politiker/innen, packen Sie das endlich an, damit nicht nur am 1. April positive Meldungen erscheinen!
Mit kleinen Maßnahmen gegen große Profit-Interessen
Liebe Nachbarinnen und Nachbarn, liebe Mitstreiter/innen, viele werden nicht zu Scherzen aufgelegt sein, denn die Pfründe der Immo-Wirtschaft werden gegenwärtig noch so nachhaltig gestützt, dass ein Kampf dagegen fast aussichtslos erscheint. Doch ähnliche Nachbarschaftsinitiativen wie Bizim Kiez gibt es in ganz Berlin, und sie vernetzen sich immer besser. Gemeinsam können wir mehr Druck ausüben, damit endlich Gesetze gemacht werden, die den Mieter/innenschutz zum Ziel haben.
Der Mieter/innen-Protest hat sich inzwischen auch professionalisiert. Nicht nur die Immobilienvertreter putzen die Klinken und Telefone der bezirklichen Ämter, auch Menschen aus den Hausgemeinschaften und Nachbarschaftsinitiativen pflegen bereits beste Kontakte in die entscheidenden Verwaltungen (wie Grundbuchamt, Bauamt, Denkmalschutz). So steht auch die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg klar hinter Bizim Kiez. Auf diesem Weg ist es uns z.B. gelungen, dass tatsächlich alle Bauanträge des Investors hinter der Wrangelstraße 77 (Bizim Bakkal) nicht umgesetzt werden konnten. In diesem Punkt entsprach unsere gestrige Pressemitteilung jedenfalls den Tatsachen.
Solche Tatsachen wollen wir gemeinsam weiter schaffen. Wir bleiben dran – Bizim Kiez und die Forderung nach dem Erhalt der Nachbarschaften ist seit letztem Sommer zu einer Tatsache geworden, an der Investoren und Politik in Kreuzberg nicht vorbei kommen.
Pressemitteilung
Bizim Kiez – Pressemitteilung vom 1.4.2016
Kooperationsangebot des Investors vorerst nur Aprilscherz.
Ach wäre es doch wahr …
Das von Bizim Kiez am 31. März per Pressemitteilung verkündete Angebot von Ioannis Moraitis, dem Investor und Geschäftsführer der Wrangelstr. 77 GmbH, der Nachbarschaftsinitiative die Ladenräume des ehemaligen Gemüseladens sechs Monate kostenfrei zur Verfügung zu stellen, um gemeinsam ein Nutzungskonzept zu entwickeln, war ein Aprilscherz. Die positive Resonanz hat deutlich gezeigt, wie sehr sich alle wünschen, dass eine kooperative Zusammenarbeit entsteht, die Verdrängung vermeidet. Wir wollten mit der positiven Meldung aufzuzeigen, wie ein Interessenausgleich zwischen Investoren und Nachbarschaften gelingen könnte. Bisher stehen solchen Lösungen ausschließlich die Profitinteressen der Eigentümer und der mangelnde Gestaltungswillen der Politik entgegen. Wir fordern, dass endlich die Bedarfe der Nachbarschaften vor einer Neuvermietung von Gewerbeflächen aufgenommen und berücksichtigt werden.
Bizim Kiez ist zu Gesprächen mit dem Investor über ein Nutzungskonzept bereit.
Tatsächlich wäre die von uns vorgeschlagene sechsmonatige Nutzung der Räume durch die Nachbarschaftsinitiative zur Umsetzung einer partizipativen Bürgerbeteiligung wünschenswert. In den letzten Wochen, seit klar wurde, dass der bisherige Betreiber Ahmet Çalışkan zu krank ist, um den Laden weiter führen zu können, haben wir bereits versucht, Möglichkeiten für eine Kiez-relevante und soziale Nutzung auszuloten. Dabei wurde deutlich: Interessierte Gruppen, Vereine und Projekte, die bezahlbare Räume suchen, gibt es genug – nur der Investor müsste mitspielen. Wir stünden jedenfalls für entsprechende und ernstgemeinte Gespräche mit dem Investor zur Verfügung.
Die Politik ist gefordert – auf allen Ebenen
Damit nicht nur am 1. April positive Meldungen erscheinen, fordert Bizim Kiez die verantwortliche Politik dazu auf, in Milieuschutzgebieten endlich einen Schutzmechanismus für bestehendes Kleingewerbe und soziale Infrastruktur zu verwirklichen. Der Milieuschutz ist zuerst Sache des Bezirks und böte dem Bezirksamt auf kommunaler Ebene recht große Entscheidungs- und Steuerungsbefugnisse. So könnten die entsprechenden Milieuschutzgebiete deutlich ausgeweitet und dafür gesorgt werden, dass u.a. der Gemüseladen in Zukunft weder in vermeintlich lukratives Wohneigentum noch in vermutet lukrative Gastronomie umgewidmet werden darf. Darüber hinaus könnte §15 BauNVO dahingehend reformiert werden, dass generell für den Wrangelkiez keine Neuansiedlungen von Gastronomie mehr zugelassen werden (Einfrieren des Status Quo), sondern nur noch bedarfsgerechtes, nahversorgendes Kleingewerbe.