Andere Markthallen sind möglich
Der Konflikt um die Markthalle Neun, bei dem es im Kern um Fragen der Gerechtigkeit geht, lässt andere Modelle der Bewirtschaftung von Marktflächen in den Fokus treten. Wenn wir es ernst meinen mit dem Konzept der „Halle für alle“, dann müssen wir auch über die Eigentumsfrage nachdenken und generell andere Modelle der Bewirtschaftung in Betracht ziehen.
Das Modell Vielfalt
Wenn alle irgendwo einkaufen können sollen, dann muss es da auch unterschiedliche Produktqualitäten geben. Es geht also um eine gewisse Anbieter*innenvielfalt und die Sortimentsdiversität, wenn ein echter pluraler Markt verwirklicht werden soll. Ein Wochenmarkt, wie der am Maybachufer, scheint das besser hinzubekommen.
Das Rabatt-Pass-Modell
In Berlin gibt es ein anerkanntes Rabatt-Pass-System: den berlinpass.
„Der berlinpass ermöglicht den vergünstigten Zugang zu Kultur-, Bildungs-, Sport- und Freizeitangeboten und soll die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben erleichtern. Anspruch auf den berlinpass haben Berlinerinnen und Berliner, die Hartz IV, Sozialhilfe, Grundsicherung, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Wohngeld, Opferrenten nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz bzw. NS-Ausgleichsrenten erhalten.“ So steht es auf der offiziellen berlinpass-Website. Warum entwickelt man nicht Modelle, mit denen Menschen mit berlinpass verbindliche Rabatte in der Markthalle bekommen? Damit nicht die Erzeuger*innen das Risiko tragen müssen und weniger Einnahmen haben, können solidarische Umverteilungsmodelle entwickelt werden, in denen Menschen mit mehr Einkommen entsprechend mehr einzahlen, oder in dem mit anderen Einnahmen querfinanziert wird. Gerechter wäre es allemal. Zur Inspiration kann man auch nach Detroit/USA blicken: Hier wurde mit „Double Up Food Bucks“ ein Ansatz entwickelt, mit dem Empfänger*innen staatlicher Nahrungsmittelmarken beim Einkauf auf Wochenmärkten das Doppelte bekommen, jeder Dollar also mit 2 Dollar Gegenwert Lebensmittel umgesetzt werden kann.
Skalierung des Modells der Solidarischen Landwirtschaft
Aber auch andere Solidarmodelle analog zu sozial gestaffelten Teilhabenmodellen bei Gemüsekisten oder SoLaWi-Modellen funktionieren vielerorts sehr gut. So was ließe sich skalieren, wenn eine Halle wie die Markhalle Neun zum „Ort der Verteilung“ würde.
Die umliegenden Häuser (z.B. der ganze Kiez von Spree bis Kotti) könnten sich über Hausgemeinschaften absprechen, was ihre Grundbedarfe an Lebensmitteln sind und wie viel sie monatlich den Händler*innen abnehmen können. Die Händler*innen müssten diese Nachfrage mit ihren Produktionskapazitäten abgleichen. Vielleicht ließen sich zumindest für gewisse Lebensmittel feste Abnahmequanten vereinbaren, die den Händler*innen Abnahmesicherheit gäben, und der Nachbarschaft gute Lebensmittel in der Nähe von Aldi-Preisen. Rabattsysteme (siehe oben) könnten Manchen weitere Vergünstigungen sichern.
Das kooperative Modell
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In USA und Frankreich gibt es inzwischen Supermärkte, die kooperativ organisiert sind und dabei weit über hierzulande übliche LPG-Modelle hinausgehen. D.h. die Käufer*innen sind gleichzeitig auch die Mitarbeiter*innen im Markt und jede*r muss eine bestimmte Anzahl von Stunden mitarbeiten (in New York z.B. 3 Stunden/Monat). Außerdem verpflichtet sich die Genossenschaft dazu, alle Gewinne in das Geschäftsmodell zu investieren, so dass die Rendite sich immer für alle auszahlt. Dadurch gelingt es, die Preise sehr niedrig zu halten (damit lässt sich hoffentlich auch querfinanzieren, dass womöglich nicht alle Teilhaber*innen z.B. aufgrund von Krankheit oder Alter in der Lage sind, mitzuarbeiten, und niemand durch eine Pflicht zur Mitarbeit ausgeschlossen wird) . In Berlin stellt sich das spannende Modell gerade erst vor – Einladung zum 11. April.
Modell Nachbarschaftsmitsprache
Warum nicht für Anwohnende ein Mitbestimmungsforum schaffen? So etwas könnte z.B. mit einem paritätisch besetzten „Hallenrat“ der bindende Mitspracherecht erhält geschehen. Auch könnte die Halle Läden eine Heimat bieten, die anderswo rausfliegen. Ein Laden oder Markstand wie „Kamil Mode“ oder das Kollektiv „Friedel 54“ würden die Klientel der Halle kräftig aufmischen.
Modell Genossenschaft mit Hilfe eines Community Land Trusts
Es könnte auch so laufen: Die Produzent*innen, die die Halle beliefern, und die Standhändler*innen schließen sich zu einer demokratisch organisierten Genossenschaftsplattform zusammen, in deren Besitz die Markthalle übergeht.
Die Gewinne der Halle fließen in die Instandhaltung und Entwicklung des Warenangebots und Solidarmodelle werden querfinanziert. Die Nachbarschaft spricht in einem Konsument*innen- bzw. Anwohner*innen-Beirat mit, um die Ausrichtung der Halle als sozialen Raum im Kiez und die Produktions-Konsumtions-Beziehungen mit der Genossenschaft auszuhandeln.
amazing 😉
Ich finde die Vorschläge super. Das Problem mit dem Berlin Pass ist allerdings, wie auch schon bei der BVG Monatskarte, dass Menschen die, wie ich, nicht immer das gleiche Einkommen haben und auch schon Mal mit 400€/Monat nach Miete, Strom etc. auskommen müssen, keinen Anspruch auf einen Berlin Pass haben und dennoch nicht wirklich genug Kohle übrig haben, um dort einzukaufen.
Zur Idee Rabatt-Pass: Vergünstigungen für Geringverdiener sind ohne Zweifel lobenswert, aber die Bezahlung eines ermässigten Preises an der Museumskasse läuft vergleichsweise diskret ab.
Bei jeder Station des täglichen Einkaufs auf die eigene Armut hinweisen zu müssen würde ich als Betroffener wohl als ziemlich erniedrigend empfinden.