Eigenbedarfsklagen gegen alte Menschen sind lebensgefährlich

(Dieser Text wurde nachträglich verändert, weil wir strafbewehrt zur Unterlassung der Veröffentlichung von bestimmten Passagen aufgefordert wurden.)

„Mein Vater hat diese Klage nicht überlebt“

Dr. Jürgen Rostock (†2018 im Alter von 81 Jahren) war ein feiner, sensibler und bis zuletzt engagierter Mann. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Städtebau und Architektur der Deutschen Bauakademie und Mitglied des Kuratoriums der Stiftung NEUE KULTUR, seit 2000 Leiter des Dokumentationszentrum Prora. Er schrieb die herausragende Publikation „Paradiesruinen. Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen“, die inzwischen in der zehnten(!) Auflage erschienen ist und die lange Geschichte der Großanlage im Nationalsozialismus, Real-Sozialismus und in der Bundesrepublik aufarbeitet. Er lebte seit 1990 in einer mit Büchern vollgestopften 3-Zimmer-Wohnung im Bezirk Mitte, ohne jemals seine Pflichten als Mieter zu verletzen. Die Wohnung teilte er seit 2015 mit seiner Tochter, die damals selbst über eine Eigenbedarfsklage aus ihrer Wohnung verdrängt wurde, und nun mit dieser traurigen Geschichte an die Öffentlichkeit geht.

Eigenbedarf muss immer begründet werden

Die Rechtsprechung in Deutschland hat die Gründe, warum Eigentümer*innen Eigenbedarf geltend machen können, in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet. Auf der Beratungs-Website für Vermieter eigenbedarfskuending.com steht (Zitat) »Laut des Deutschen Mieterbundes ist die Eigenbedarfskündigung die häufigste Art der Kündigung durch den Vermieter, wenn der Mieter sich immer pflichtbewusst verhalten hat und auch die Miete pünktlich gezahlt wurde. Keine andere Kündigungsmöglichkeit durch den Vermieter ist so umstritten und führt zu so vielen Rechtsstreitigkeiten, wie die Kündigung bei Eigenbedarf. Mieter zweifeln Gründe für den Eigenbedarf oft an.« Und das mit guten Gründen, wie auch in diesem Fall. Immer muss der tatsächliche Bedarf glaubhaft vor Gericht dargestellt werden, doch „glaubhaft“ scheint vor Gericht Vieles.

Junge Frau hat wachsende Ansprüche

Gegen Jürgen Rostock, den 82-jährigen Mieter klagt eine freie Autorin, die ein Buch über Minimalisierung eigener Konsumansprüche geschrieben hat. Gegenüber Jürgen Rostock kann sie aber offensichtlich nicht auf dessen Wohnung verzichten, obwohl sie bereits in einer Wohnung wohnt, die ihr Eigentum ist. (Über die Begründung des Eigenbedarfs können wir nicht länger berichten.)

Umzug ist einem kranken alten Mann zumutbar

Das Verfahren gegen Hr. Rostock hat die Klägerin in erster Instanz gewonnen. Die Bedarfe sind für das Gericht glaubhaft und darum ist dem Interesse der Klägerin Vorzug zu geben. Seine starke gesundheitlichen Einschränkungen (Aortenklappeninsuffizienz, Hypercholesterie, Diabetes Typ 2 und Artrose) begründen keine Härtefallregelung.

Zitat aus dem öffentlich zugänglichen Urteil: „Unzweifelhaft stellt die Beendigung des Mietverhältnisses eine schwerwiegende Beeinträchtigung für den Beklagten dar, die über die üblicherweise entstehenden Unannehmlichkeiten eines zwangsweisen Auszuges aus der Wohnung hinausgehen. Nach einer sorgfältigen und zeitintensiven Abwägung der beiderseitigen Interessen hat sich das Gericht aber letztlich dafür entschieden, dass den berechtigten Interessen der Klägerin der Vorzug zu geben ist. Eine Entscheidung, die nicht leicht gefallen ist.“

Sein Anwalt befürchtete gleich bei Beginn des Verfahrens angesichts der gesundheitlichen Verfassung seines Mandanten „das Schlimmste“, doch das Gericht sah keine besondere Härte für den Beklagten, der von seiner Tochter, die Heilpraktikerin ist, gepflegt wird. Die Klägerin weitete statt dessen die Klage sogar aus, weil die Tochter in Sachsen eine Praxis betreibe und deshalb gar nicht in Berlin wohne. Außerdem sei die Wohnung nicht seniorengerecht und ihm sei ein Umzug durchaus zuzumuten.

Im Urteil ist dazu die Argumentation der Klägerin zu lesen: „Gerade für Senioren würden im Übrigen durch die Wohnungsbaugesellschaften barrierefreie Wohnungen angeboten, so dass es dem Beklagten […] durchaus möglich wäre, eine angemessene und für ihn geeignete Wohnung zu finden. […] Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass ältere Menschen ihre angestammte Umgebung verlassen müssten, um in eine altersgerechte Wohnung oder ein betreutes Wohnen umzuziehen. Dieses würde von diesen Menschen auch regelmäßig gemeistert, wobei der Beklagte auf hohem Niveau psychisch und intellektuell widerstandsfähig sei.“

Widerspruch gegen Fristverlängerung eingelegt – Beklagter tot

Und um die Sache noch weiter zu verschärfen, trat die Vermieterin auch noch der Bitte des Beklagten entgegen, der für sich eine Fristverlängerung (Räumungsfrist von 12 Monaten) erwirken wollte. Die Klägerin bestand aber auf Räumung und in dieser Sache wird nun am Dienstag, 17. Juli 2018, um 10 Uhr beim Landgericht in der Littenstraße (Saal 1806) abschließend verhandelt.

Der Beklage kann den Richterspruch nicht mehr erleben, denn Jürgen Rostock ist am 25. März 2018 in Berlin gestorben. Die Tochter erbte das Verfahren, das ihrem Vater zuletzt schwer zu schaffen machte.

Seine Tochter schreibt dazu: „Es war für ihn eine ungeliebte Aufgabe, die Schriftsätze der Gegenseite durchzuarbeiten. Auch war es eine Anstrengung, häufige, oft unwichtige Übergabeeinschreiben der Vermieterin von der Post abzuholen, wo er meistens lange anstehen musste. Sein Zustand verschlechterte sich direkt nach dem Urteil im Dezember drastisch und er war sehr bedrückt. Ich kann nicht behaupten zu wissen, dass sein plötzlicher Tod im März die Folge der Belastung durch den Rechtsstreit war, ich kann aber mit Sicherheit sagen, dass der Rechtsstreit eine Belastung für ihn war und das ist für einen herzkranken Menschen sehr ungünstig.
In seinem Nachlass habe ich vier volle Ordner zu dem Rechtsstreit gefunden, die Ränder eng mit seiner Handschrift beschrieben, weil er seinem Anwalt regelmäßig zuarbeitete. Der Prozess hat ihm die letzten Lebensjahre außerordentlich erschwert. Wir waren uns einig, dass in diesem Staat das Eigentum eine übermächtige Bedeutung hat und wir dabei auf dem Weg sind, ein Unsozialstaat mit schlechtem Klima zu werden.“

In Frankreich unmöglich: Keine Eigenbedarfsklagen gegen Senioren

Was in Deutschland leider immer öfter vor Gericht gegen Menschen in hohem Alter entschieden wird, ist in Frankreich untersagt. Dort existiert ein sogenanntes „Macron-Gesetz“, das seit 2016 gilt. Danach können Menschen im Alter über 65 Jahren, nicht mehr durch Eigenbedarfsklagen verdrängt werden. Ein Umzug kommt überhaupt nur in Frage, wenn den Mieter*innen eine angemessene Ersatzwohnung gestellt wird.

An dieser Geschichte ist zu erkennen, wie wichtig dieser erweiterte Mieter*innenschutz auch in Deutschland ist. Denn natürlich mag es für Eigentümer*innen berechtigte Bedarfe geben – auch in diesem Fall soll der Bedarf der Eigentümerin nicht grundsätzlich ein Abrede gestellt werden – aber wenn von vornherein klar ist, dass alte Menschen nicht aus den Wohnungen geklagt werden können, dann beeinflusst das das Marktgeschehen und den Handel mit bewohnten Eigentumswohnungen. Wenn Eigenbedarfsklagen nicht regelmäßig für die Eigentümer*innen entschieden würden, sondern für die darin wohnenden Senioren, wäre das eine soziale Errungenschaft unseres Staates. Eigentumsansprüche dürfen keine tödlichen Folgen haben.


Aktualisierung am 17.7.2018:

Heute am 17.7.2018 fand der Prozess im Fall der Eigenbedarfsklage gegen Jürgen Rostock statt und die Klägerin hat erwartungsgemäß gewonnen. Da der Beklagte nicht mehr am Leben ist, könne keine Härte festgestellt werden. Im Prozess wurde allerdings auch festgehalten, dass im Urteil in erster Instanz dies fälschlicher Weise entschieden worden ist. Damals hätte für Hr. Rostock als Härtefall entschieden worden müssen. Zu spät.


Presseecho:

25 Kommentare zu “Eigenbedarfsklagen gegen alte Menschen sind lebensgefährlich

  1. Jens Adolf Frese

    Das ist beschämend für ein Land wie Deutschland Respekt und Ehrfurcht Dankbarkeit das scheint nicht mehr up-to-date zu sein. Ich muss gestehen dass mir Gedanken kommen wie das wenn ein Vermieter oder Wohnungsbesitzer sich so aufführt scheint es so zu sein dass dieser Mensch charakterlich nicht wirklich taugt Verantwortung zu übernehmen. geschweige denn irgend eine verantwortungsvolle Tätigkeit zu übernehmen. Ich bin der Meinung das so ein Mensch eine Wohnung nicht besitzen sollte. So ein Vermieter beziehungsweise Wohnungsbesitzer ist psychisch auffällig Punkt da lobe ich mir die DDR

  2. Pingback: Bizim Kiez | Netzwerk Leipzig – Stadt für alle

  3. Linda

    Dass die Klägerin mit vollem Namen und Arbeitgeber regelrecht an den Pranger gestellt wird, obwohl Sie keine Chance hat sich zu äußern, finde ich zu krass und einseitig in der Berichterstattung, obwohl ich es traurig finde, dass der alte Mann herausgeklagt wurde. Dennoch ist es doch haarsträubend von einer Klage mit Todesfolge zu sprechen, denn 82 ist ein hohes Alter und dies ist eine reine Vermurung UND: sicherlich wäre die zum Tausch angebotene Wohnung akzeptabel gewesen. Würde ich rein nach meinen Emotionen gehen würde ich auch sagen, was ist denn mit der Frau los. Aber wie gesagt: Ihr den Tod anzuhängen und ihren Ruf so zu verunglimpfen finde ich auch nicht okay.

    1. Heba

      (Dieser Kommentar wurde von der Redaktion nachträglich verändert.)
      Das sehe ich vollkommen anders. Gerade als älterer Mensch sind gewachsene Strukturen wie Nachbarschaften für das eigene Wohlbefinden, Sich-Sicher-Fühlen und NachbarInnenvertrauen für gegebenenfalls kleinere „Aufträge bzgl Alltagshilfe“ unabdingbar. Die Autorin hat sich definitiv in den letzten Lebensjahren ihres Mieters negaitiv wichtig gemacht. Das ist sehr tragisch für alle Beteiligten. Sie wird ihn nicht so einfach „vergessen“ können… Kurzum: Sie hätte sich mit dem Thema ihres Buches ernsthaft und authentisch auseinandersetzen bzw. sich mit Schein und Sein ihrer eigenen Person intensiv beschäftigen müssen.
      Das ist kein Pranger, sondern investigativ …

  4. Robert Hermsen

    Ich finde diesen Artikel so dermaßen zum Kotzen. Was bildet Ihr Euch ein so über andere zu Urteilen. Das ist für mich echt krank.
    Die größte Frechheit ist dann auch noch den Namen der Klägerin zu nennen. Schämt Euch!
    Was stimmt mit Euch nicht?
    Was stimmt in Eurem Leben nicht? Schaut in den Spiegel!
    Wieso zum Teufel sind denn Senior*innen grundsätzlich zu schützen? Sie werden dadurch sogar diskriminiert. Sie haben henauso Rechte wie Pflichten! Sie brauchen dafür keine Sonderbehandlung.
    Die Richter*innen haben schon ausreichwnd Augenmaß zu beurteilen wer zu schützen ist oder nicht.
    Und Ihr armseligen Gestalten schlachtet diesen Fall aus. Wahrscheinlich um Euch auszuagieren. Pfui Teufel.

    1. Bizim Kiez Beitragsautor

      Wir verwenden öffentlich zugängliche Informationen und benennen diejenigen, die gegen Mieter*innen vorgehen in möglichst konkreter Weise. Wir machen verdecktes Handeln öffentlich und so wird aus leisen geheimen Verdrängungen laute öffentliche Empörung, die das Potenzial entwickelt, nötige Änderungen anzustoßen.
      Aussagen, die die Privatsphäre betreffen, machen wir nur dann, wenn sie für die politische Meinungsäußerung wichtig sind. Manchmal ist das grenzwertig, aber es ist nach unserer Einschätzung sowohl legal, wie auch legitim, denn die Verdrängungen sind ebenso persönliche und personenbezogene Angriffe.
      Benennen wir das persönliche Leid nicht, kümmert es niemanden. Benennen wir die einzelnen Verantwortlichen nicht, wird es als systemisches Problem abgetan. Hinter jeder Entscheidung stehen aber Menschen, die anderen Menschen schaden und die sollen erkennbar sein. Nur dann haben sie zu befürchten, selbst zu Betroffenen zu werden.

      1. Linda

        … aber von einer Verdrängung mit Todesfolge zu sprechen ist mehr als grenzwertig. Ich persönlich würde dagegen vorgehen, wenn man mir so etwas unterstellen würde. Zudem sollte seriöser Journalismus auch beide Seiten beleuchten und einen O-Ton von der Klägerin kann ich im Text nicht finden. Nur von Empathie getriebene Beiträge können auch Schaden anrichten.

        1. Magnus

          Das Zitat aus dem Urteil aus erster Instanz ist ein O-Ton der Klägerin. Sie argumentiert da, dass dem Beklagten die Räumung zuzumuten sei.

      2. Linda

        Ach, jetzt habt ihr ja Nachnamen und Arbeitgeber der Klägerin auf einmal aus dem Text gelöscht. Was ich nicht verstehe ist, warum Ihr das gute Beispiel Macron-Gesetz nennt. Die Frau hat dem Mann eine Wohnung in einer der besten Gegenden der Stadt zum Tausch angeboten. Das von euch formulierte „Eigentumsansprüche dürfen keine tödlichen Folgen haben“ basiert auf reiner Vermutung und nicht auf Fakten.

        Klingt, als wäre ich pro Klägerin, was nicht so ist. Aber mir kommt dieser Beitrag sehr reißerisch vor. Und da er nicht auf der Straße gelandet wäre, sondern auch in einer sehr attraktiven Wohngegend, finde ich, dass dieser Fall doch sensibler beschrieben werden sollte und man die Klägerin auf jeden Fall hätte befragen müssen, bevor man so einen harten Text ins Netz beamt, der, so wie er zunächst formuliert war mit all den privaten Details, rufschädigend war.

        1. Manuela

          Was zeigt Lindas Argument, die Klägerin hat dem älteren Mann eine Wohnung in eine der besten Gegenden in der Stadt angeboten? Eine Wohnung ist mehr als nur eine nackte Unterkunft. Sie bietet Schutz, Geborgenheit und ist Heimat. Sie ist der Lebensmittelpunkt einer Familie oder eines alleinlebenden Menschen. Verliert ein Mensch seine Heimat, bleibt immer eine offene Wunde im Herzen zurück. Als gebürtige Berlinerin war ich immer stolz auf auf diese einzigartige Atmosphäre in Berlin, diese Mischung von Alteingesessenen und Neuzugezogenen. Berlin war attraktiv für viele Menschen, Künstler, Musiker aus der ganzen Welt. „Leben und leben lassen“ war jahrelang unser Motto. Aber es ist eben nicht mehr so. Wo bleibt da die Solidarität und Mitmenschlichkeit? In jedem Fall: Ich kenne keinen älteren Menschen von über 65 Jahren, der nach Jahrzehnten seine Heimat verlassen will und kann. Das ist und bleibt nicht zumutbar.
          Wer brauchen ein Gesetz zum Schutz älterer Menschen vor Eigenbedarfsklagen. Wer startet eine Petition?

    2. Manuela B. Schmittke

      Eines Tages werden Sie auch alt sein, wenn Sie Glück haben. Stellen Sie sich vor, Sie wären der ältere Herr gewesen. Was würden Sie fühlen, wenn Sie gezwungen werden mit 81 Jahren Ihre Wohnung, Ihre Heimat, Ihren Kiez zu verlassen? Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Ältere Menschen müssen geschützt werden vor Eigenbedarfsklagen wie es in Frankreich durch das Macron-Gesetz seit 2016 üblich ist. Denn sie können sich oftmals nicht so wehren wie unser eins. Hier in Neukölln geht der Pogo richtig ab mit Entmietung – seit Jahren. Und ganz sonnenklar ist, dass es alle Mieter*innen, aber vor allem ältere Menschen, besonders hart tritt. In Neukölln sind ältere Menschen oftmals arm, haben keinen Internetanschluss und verstehen die Welt nicht mehr, wenn sie nach Jahrzehnten entmietet werden sollen. Meine Frage an Sie: Wenn Sie diese älterer Mann wären, wäre es dann in Ordnung so mit Ihnen umzugehen? Gewissen ist die Stimme des anderen in uns selbst. Der Mann hätte auch mein Vater sein können und diese Generation hat viel dafür getan, dass es uns besser geht. Wir sind Ihnen zu Respekt, Wertschätzung und Geduld verpflichtet. Man baut sein eigenes Glück nicht auf dem Unglück anderer Menschen auf.

      1. Linda

        Sicherlich wäre es schöner gewesen, wenn … meine Kritik bezog sich auch nicht auf den Fakt, dass sie für die Klage kritisiert wurde, sondern auf die ursprüngliche Form des Beitrags, in dem sie mit Vor- und Nachnamen genannt wurde, zudem Job und Arbeitgeber und auch eine Vermutung von besonders gutem Einkommen.

        Und vor allem, dass es heißt: „Eigentumsansprüche dürfen keine tödlichen Folgen haben.“ Dass ein Mann jenseits der 80 stirbt, kann viele Ursachen haben, vor allem im Angesicht der zahlreichen Erkrankungen. Dass der Stress sich negativ ausgewirkt hat, bezweifle ich nicht. Aber es klingt, als wolle man der Klägerin den Tod anhängen, das geht zu weit.

        Und: Ja, es wäre schöner, wenn ein alter Mensch nicht umziehen kann. Ein Umzug in eine ebenfalls gute Wohngegend muss jedoch nicht per se als Untergang für einen alten Menschen gelten.

        Natürlich geht mir als waschechter Berlinerin der Hype um die Stadt extrem auf den Keks und Berlin hat mit der Stadt, in der ich glücklich großgeworden bin, schon lange nichts mehr gemeinsam.

        1. Ana

          „Ein Umzug … muss jedoch nicht per se als Untergang für einen alten Menschen gelten.“
          Wirklich? Das entscheidest Du mal eben so im Vorbeigehen?

          Alte Menschen sollten nie umziehen müssen. Das sollte auch gar nicht mehr zu Debatte stehen. Das Gericht hatte falsch entschieden und wird diesen schweren Fehler hoffentlich nicht wiederholen. Es kann ihn nicht wieder gutmachen.

          Die Klägerin darf jetzt auch damit leben.

    3. Heba

      Ich hoffe, Sie waren nicht der Makler dieser Wohnung …. Dann kann ich ihre Verzweiflung verstehen …

    4. Ana

      … wieso „Wieso zum Teufel sind denn Senior*innen grundsätzlich zu schützen?“
      Weil Senioren zu dem Teil der Bevölkerung gehört, der von Altersarmut betroffen ist, vereinsamt ist, sich im Vertrauten sicher fühlt und im Nicht-Vertrauten ausgeliefert oder alleine gelassen. In einer sich immer schneller verändernden Gesellschaft nicht mehr auskennen und zum großen Teil nicht am Internet interessiert sind. Dies trifft nicht auf alle zu, aber einer wachsenden Mehrheit.
      Geh und frag sie doch selber.

      Sie haben Ihre Pflicht durch Sozialabgaben und Steuern getan. Rente wird übrigens auch nochmal versteuert. So ist unsere Gesellschaft organisiert.
      Sie werden durch Schutz sicher nicht diskriminiert, sondern behalten eine Wahlmöglichkeit, eine Kontrolle über ihr Schicksal.

      Die Richter haben festgestellt, daß ein Umzug eines Senioren ein Härtefall darstellt. Leider zu spät.

      Also Worte in dieser Debatte wie KRANK / KOTZEN / DEIN LEBEN STIMMT NICHT / ARMSELIGE GESTALTEN / SCHLACHTEN / PFUI TEUFEL / usw sind Ausdruck Deines emotionalen -und Geisteszustandes, aber sind keine Argumente, schon gar nicht qualifizierte.

      Zu Deiner Eröffnungsfrage „Was bildet Ihr Euch ein so über andere zu Urteilen?“ Diese Antwort: Weil man genug weiß, um sich ein Urteil zu erlauben.
      Gebe ich auch gerne an Dich zurück: Was bildest Du Dir ein Dich derart krankkörperorientiert öffentlich auszulassen? Dies ist keine Gruppentherapie.

  5. Philipp

    Hallo Bizim Kiez,
    ich frage mich, ob es so eindeutig ist, wer hier dem Anderen schadet? Es ist eher so, dass sich beide Parteien gegenseitig grossen Schaden zufügen, weil keiner nachgibt und seine Bedürfnisse über die des Anderen stellt.
    Als Aussenstehender kann ich beide Seiten verstehen und finde es schwierig, ein Urteil zu fällen.
    Ich denke eher, dass die Probleme beider Parteien das Symptom der desaströsen Wohnungspolitik der vergangenen beiden Jahrzente in Berlin sind.
    Und jetzt? Vielleicht hat mal jemand eine konstruktive Lösung?
    LG

    1. Bizim Kiez Beitragsautor

      Hallo Philipp,
      das sehen wir ganz genau. Eigenbedarfsklagen werden immer mit persönlichen Bedarfen auf beiden Seiten argumentiert. Da kommen die privatesten Sachen öffentlich vor Gericht und es schadet tatsächlich beiden Seiten. Solche Prozesse bringen Gift in die Gesellschaft. Besonders, wenn dann – was leider auch oft passiert – hinterher noch nicht einmal diejenigen in der Wohnung wohnen, für die der Eigenbedarf eingeklagt wurde. Leider gibt es Fälle, wo einfach nachher teurer neuvermietet wurde, oder wo sogar Ferienwohnungen aus den Wohnungen gemacht wurden. Vermieter*innen haben kaum etwas zu befürchten, denn solche Fehlnutzungen werden nur geahndet, wenn die früheren Mieter*innen nochmal dagegen vorgehen, wobei sie allerdings bis auf eine kleine Entschädigung nichts erwarten dürfen. D.h. da klagt in aller Regel niemand, weil die Verdrängten mit den Fällen einfach abschließen wollen.
      Aus all diesen Gründen brauchen wir Regelungen, die solche Klagen einschränken, oder eben bei besonderen Bedarfsgruppen (wie z.B. Senioren) von vornherein erfolglos erscheinen lassen. Das französische Gesetzt (siehe letzte Abschnitt im Text) macht es vor und es ist auch als gutes Beispiel für Deutschland, also konstruktiver Vorschlag gedacht. Diese Regelung würde auch auf den Markt und den Handel mit Wohnungen, in denen Menschen wohnen einwirken.

  6. Andreas K.

    Ja, ja – bloß dem Vermieter keine Rechte einräumen ….

    Und auf der anderen Seite rum jammern, dass ihr keine Mietwohnungen findet.

    Muhahaha – WARUM denn wohl nicht?

    Weil sich kein vernünftiger Mensch mehr diese Scheiße antun will.

  7. Manuela

    Ich finde es absolut gerechtfertigt und legitim von Bizim Kiez, dass Kind beim Namen zu nennen. Der Beitrag sensibilisiert für ein persönliches Schicksal eines Menschen am Ende seines Lebens. Und er steht stellvertretend für das, womit sich viele ältere und jüngere Mieter in der Stadt konfrontiert sehen – Verdrängung, Entmietung, Entsolidarisierung. Aus meiner Sicht geht es in dem Beitrag darum aufzuzeigen, dass besondere Bevölkerungsgruppen – wie ältere Menschen – als Mieter eines stärkeren rechtlichen Schutzes bedürfen. Sinnvoll wäre überhaupt, einen generellen Bestandschutz für Altmieter zu implementieren. Aber die Politik und die Richter stehen eher auf Seiten der Hauseigentümer. Wenn wundert´s. Und doch, so einfach geht´s eben nicht mit der Entmietung – dank Bizim Kiez und vielen Mieterinis ;-))), die Transparenz und Öffentlichkeit schaffen.
    Zu Lindas Aussage „Ein Umzug in eine ebenfalls gute Wohngegend muss jedoch nicht per se als Untergang für einen alten Menschen gelten.“ – Muss es nicht. Aber dieser Mensch wollte nicht umziehen, er hatte über 25 Jahre in seiner Wohnung in Berlin-Mitte, in seinem Kiez und mit seinem Nachbarn gelebt. Nun ist er im März 2018 gestorben, woran wissen wir nicht. Aber ich möchte, wenn ich mal alt bin, so etwas nie erleben müssen.
    Und zu Phillips Aussage „Es ist eher so, dass sich beide Parteien gegenseitig grossen Schaden zufügen, weil keiner nachgibt und seine Bedürfnisse über die des Anderen stellt.“ Dem widerspreche ich heftigst. Ich nehme wahr, dass es sich bei dem Verhältnis Mieter – Vermieter nicht um ein gleichberechtigtes Verhältnis handelt. Es ist ein asymetisches Machtverhältnis – die jetzigen Gesetze wie Modernisierungsumlage oder Eigenbedarfskündigungen begünstigen die Machtposition von Vermietern extrem. Sie ermöglichen erst ein Unrecht wie Entmietung. Und außerdem ist heute am 17.07.18 das abschließende Urteil gesprochen worden – siehe Aktualisierung. Im Prozess wurde auch festgehalten, dass im Urteil in erster Instanz falsch entschieden wurde und Hr. Rostock als Härtefall hätte gelten müssen. Vielleicht überdenkt ihr jetzt mal eure Position – Linda, Phillip und wie immer ihr heißt. Die Stadt gehört uns.

  8. Philipp

    Mieter und Vermieter sind nicht gleichberechtigt. Der Mieter hat vollkommen andere Rechte als der Vermieter. Das steht im Mietvertrag usw und ist für mich klar.
    Was mir nicht klar ist: was du meinst wem die Stadt gehört.
    Ich denke das Problem sind nicht die privaten Eigentümer, da gibt es Die Bösen genauso wie sie es unter den Mietern gibt.

  9. Susannes

    Hallo Bizim Kiez,
    vielen Dank, dass ihr dieses Klageverfahren öffentlich gemacht habt. Ob die Nennung des Namens der Klägerin grenzwertig war oder nicht, ist Ansichtssache. Ich finde es richtig und wichtig Profiteure des Mietenwahnsinns beim Namen zu nennen. Und offensichtlich ist des der Autorin ja auch peinlich genannt zu werden, sonst hätte sie nicht diese strafbewehrte Unterlassung bei ihrem Anwalt bestellt.
    Die Haltung von Bizim Kiez kann ich nur voll unterstützen: es braucht Schutz vor Eigenbedarfskündigungen älterer und es braucht mehr Kontrolle. Oft wird einfach, wenn der Mieter oder die Mieterin raus ist, behauptet, die Situation habe sich geändert. Und außerdem, eine Eigentumswohnung reicht doch, warum welche zum Vermieten kaufen ….

  10. Arno

    Die alleinige Auseinandersetzung mit dem juristischen Thema Mieter :/: Vermieter oder allgemein nur dem Wohneigentum reicht an dieser Stelle keineswegs aus. Es geht an erster Stelle um ältere Menschen und die auswegslosen Situationen, die nur in spektakulären Fällen tatsächlich zum Ausdruck kommen. Niemand weiß wieviele Tausende oder gar Millionen von Menschen in diesem deutschen Land durch das an dieser Stelle völlig unformlierte Mietrecht, respektive dem Fehlen einer genaueren gesetzl. Regelung, wie sie in Frankreich ab 65 Jahren eingreift, unter ständigem psychischen Druck (Existenzängsten) lebt und daran u.a. dann an Krankheiten zerbricht, das geht in Einzelfällen bis zum Freitod. Aber gerade weil ältere Menschen sich eher in ihre Wohnung zurückziehen geschieht das nach aussen oft unerkannt hinter den Kulissen. Meistens gibt es auch keine Beweise für die Zusammenhänge, aber die Vermutung liegt doch oft sehr nahe. Alte Menschen brauchen tatsächlich eine Lobby auf diesem derzeitig mörderischen Wohnungsmarkt. Vor Gericht verhandelt sind sie ohnmächtig den Verhältnissen ausgeliefert. Da zudem das Lebensdurchnittsalter ständig steigt, was sich ja so gut wie die meisten wünschen, ist nur zu offensichtlich, daß sich im zwar einseits nicht nur schlechten deutschen Mietrecht andererseits immer deutlicher Lücken auftun, die mit Veränderungen in der Gesellschaft einhergehen. Eine Regelung auch hierzulande für über 60ig-jährige Mieter (und das sind in Berlin weit mehr als zwei Drittel der Bewohner) ist dringend überfällig.

  11. Alfred

    Wie verlogen ist das denn? Ich zitiere mal aus einem Interview das die Klägerin gegeben hat:
    „Was mich auch fasziniert hat, war das Tiny House auf 6,4 qm. Das hat mich zu der Frage geführt, wie viel Wohnraum man wirklich braucht. Je mehr Einkommen wir haben, desto größer wird die Wohnung. Warum braucht man immer eine größere Wohnung? Vielleicht braucht man einfach weniger Sachen?“
    https://www.pinkgreenblog.de/2017/03/30/minimalismus-guide-einfach-leben-interview-mit-autorin-lina-jachmann/