Repression und Einschüchterungen gegen Protestierende bei Versteigerung

Am Donnerstag, den 14. Dezember wurde das Eckhaus Eisenbahnstraße 2-3 / Muskauer 10 in Kreuzberg versteigert. Ein anonymer Bieter erhielt den Zuschlag per Telefon für insgesamt 7.16 Millionen Euro. Die Bewohner*innen wurden aus dem Auktionssaal geführt. Sie waren für die Versteigerung vorbereitet und haben sich längst als „Hausgemeinschaft 3-2-10“ organisiert. Der neue Eigentümer hat somit nicht nur ein Gebäude, sondern auch eine kämpferische Mieterschaft ersteigert, die keine Angst hat, ihr Recht auf Wohnen im schon stark von Verdrängung betroffenen Eisenbahnkiez entschlossen zu vertreten.

Kundgebung gegen Verdrängung vor der Versteigerung

Vor dem abba Hotel Berlin, in dem die Versteigerung ihres Hauses stattfand, organisierten die Mieter*innen eine Kundgebung. Sie berichten von der Veranstaltung Folgendes: Schon am Eingang der Versteigerung waren die Sicherheitskontrollen massiv – Taschen wurden durchsucht und einigen Mieter*innen wurde der Zugang verwehrt. Trotzdem kamen einige Bewohner*innen in die Versteigerung und protestierten laut, als die Gebote für ihr Haus fielen. Auf Geheiß des Auktionators wurde auf den verbalen Protest durch das Security-Personal sehr unverhältnismäßig reagiert und die Bewohner*innen wurden auf, für sie, brutale Weise angegangen. Ein Mann und eine über 70-jährige Frau wurden im Schwitzkasten aus dem Saal geführt.

Braucht es jetzt schon Staatsschutz gegen Mieter*innen?

Nicht nur die Immobilienwirtschaft zeigte sich mit ihren privaten Security-Diensten von der harten Seite, auch die Polizei war mit starkem Aufgebot vor Ort. Wir gehen davon aus, dass Staats- und Verfassungsschützer ebenso anwesend waren und dass sie den friedlichen Protest der Mieter*innen fotografierten, zu welchem sich zahlreiche Passanten und Anwohner*innen in Charlottenburg solidarisierten.

Die Kundgebung vor dem Hotel war ordentlich angemeldet und trotzdem wurden die Teilnehmer*innen von der Polizei ohne Vorwarnung geschubst und bedroht. Die Versammlungsleiterin musste einschreiten, damit die Situation nicht weiter von den Polizeikräften eskaliert wurde. Hier werden Beamt*innen gegen ganz normale Bürger*innen zur Einschüchterung eingesetzt. »Die Gewalt gegen Mieter*innen durch Securities und der Versuch, ihren Protest durch massive Polizeipräsenz zu kriminalisieren, deutet eine neue Ebene im Konflikt um die Stadt an«, so Augenzeugen.

Bizim Kiez zeigt sich solidarisch mit dem berechtigten Protest der „Hausgemeinschaft 3-2-10“ und wird sie weiterhin bei der Organisierung und dem Widerstand gegen Verdrängung tatkräftig unterstützen. Bisher wurden unsere Kundgebungen als Äußerung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung immer ordnungsgemäß von der Polizei begleitet und abgesichert. Warum plötzlich diese Aufrüstung?

Verkehrswert gegen Höchstpreis

Die Versteigerung wird als Versuch gewertet, den für das Haus bestehende Milieuschutz auszuhebeln. Es geht dabei um den „Verkehrswert“ einer Immobilie, der normalerweise vom Bezirksamt in einem Prüfverfahren ermittelt wird. Fraglich ist, ob eine Versteigerung als gültiges Ermittlungsverfahren für den Verkehrswert gilt, denn wenn ja, würden so die Preise für Immobilien erneut extrem angezogen. Die Vermutung liegt nahe, dass darum in diesem Fall auch bewusst anonym geboten wurde, wobei es der unbekannte Bieter offensichtlich darauf anlegte, den Preis hochzutreiben. Liegt der Verkehrswert sehr hoch, sind die Mittel, die über das Bezirksamt für einen Vorkauf für Dritte, nicht mehr darstellbar. D.h. sozialverträgliche Übernahme- und Bewirtschaftungsmodelle zur Absicherung der Wohnverhältnisse zum Schutz gegen Verdrängung, wären dann nicht zu vertretbaren Kosten möglich.

Bezirk macht Auflagen für neuen Eigentümer

Der Baustadtrat Florian Schmidt hat bereits angekündigt, dass dem Eigentümer Auflagen zum Erhalt der Wohnverhältnisse gemacht werden. Es wird ihm ein Vertrag vorgelegt, mit dem luxuriöse Modernisierungen verhindert und der Schutz der sozialen Mischung erhalten werden sollen. Sollte der neue Eigentümer dieser „Abwendungsvereinbarung“ nicht zustimmen, kann der Bezirk das Vorkaufsrecht für Dritte geltend machen. Die Mieter*innen im Haus haben sich für diesen Fall bereits vorbereitet und bieten eine alternatives Finanzierungskonzept an.

Viel Aufmerksamkeit bei den Medien

Der Auktionssaal war dicht besetzt mit zahlreichen Journalist*innen und Kameraleuten. Dementsprechend viel Echo fand die Veranstaltung in den Medien:

Alles zur Versteigerung der Mieter*innengemeinschaft 3-2-10″

 

2 Kommentare zu “Repression und Einschüchterungen gegen Protestierende bei Versteigerung

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  2. Ania Bothe

    Liebes Bizim Kiez Team,
    ich möchte einige kleine Korrekturen an Eurem Artikel vornehmen. Es wurden keine Bewohner gewaltsam aus dem Saal geführt und auch der 13.12. ist nicht korrekt.

    Richtig ist:
    Die 3-2-10 Mietergemeinschaft hatte am Tag der Auktion, Donnerstag,den 14.12.17 zu einer friedlichen Kundgebung eingeladen, die unter dem Motto stand „Gesicht zeigen“. Neben den 3-2-10 Mietern kamen auch viele andere von Verdrängung Betroffene aus der Kiez Nachbarschaft und aus der Charlottenburger Anwohnerschaft um die 3-2-10 Mieterschaft zu unterstützen.

    Die Kundgebung wurde im Vorfeld ordnungsgemäß von den 3-210 Mietern angemeldet. Alle 3-2-10 Mieter und die anderen Teilnehmer und Beobachter der Auktion waren durchgängig friedlich sowohl in der Veranstaltung als auch vor dem Hotel auf der Strasse, auf der sie sich mit bunten Bannern und guter Laune versammelt hatten und trotz des schlechten Wetters ausharrten. Einige wenige 3-2-10 Mieter und andere Teilnehmer der Kundgebung konnten die massiven Sicherheitskontrollen passieren und fanden sich im Auktionsraum um dort die Abläufe der Auktion zu beobachten, mit dem Ziel herauszufinden, wer der neue Eigentümer wird und wie die Auktion vonstatten ging. Die 3-2-10 Mieter blieben dabei ruhig und hielten bunte A4 Blätter hoch,, mit kreativen Texten wie „Mieter statt Bieter“. Es gab Zwischenrufe von anderen Teilnehmern gegen Verdrängung. Diese waren aber keinesfalls aggressives Gebrüll. Die beiden Personen, die von dem Saalsicherheitsdienst herausgeführt wurden, nach deren Zwischenrufen, waren keine 3-2-10 Mieter.

    Die Auktionsgesellschaft und deren Sicherheitsdienst erwarteten anscheinend „wilde Horden“ aus Kreuzberg und hatten entsprechend vollkommen unverhältnismassig aufgerüstet, wenn man nach dem Aufgebot der Polizei und dem vermuteten Verfassungsschutzmitarbeitern schliessen kann.

    Statt der von den Auktionatoren erwarteten „wilden SO 36 Horden“ kamen die friedliche 3-2-10 Mieterschaft mit ihren bunten Unterstützern und erhielt viel Zuspruch und Unterstützung der Charlottenburger Anwohner die sich mit uns solidarisierten! Auch das Medieninteresse war sehr groß und wie man an den daran folgenden Medienberichten sehen kann, machte sich die Auktionsgesellschaft mit ihren vollkommen überzogenen, aggressiven Maßnahmen ein klein wenig lächerlich.

    Die Berliner Immobilienwirtschaft rüstet immer weiter auf und wendet dabei immer aggressivere Methoden an , die sich häufig im rechtlichen Grauzonenbereich bewegen. Es ist wichtig, dass wir – die wir von Verdrängung betroffen sind – dabei die moralische/ethische Oberhand haben und behalten und unseren Widerstand friedlich leisten, immer im Rahmen der legalen rechtlichen Möglichkeiten.

    Es ist ein gesamtgesellschaftliches und politisches Problem und wir alle brauchen dringend rechtliche Rahmenbedingungen, die den Spekulanten klare Grenzen setzen.