Die Digitalisierung ändert alles, die Disruption ändert die Politik – zum Abbruch der Koalitionsverhandlungen
Intro
Nach dem Platzen der Koalitionsgespräche ist immer wieder die Rede von der Verantwortungslosigkeit der FDP. Manche Analysen suchen die Gründe in einem „Trauma“ der FDP aus der Koalitionsregierung mit der CDU von 2009-13. Ein Kommentar kehrt den „Faktor Mensch“ in den Vordergrund. Schließlich liegen die politischen Differenzen der Verhandlungspartner*innen auf der Hand. All das zusammen mag bestimmt eine Rolle spielen. Es fehlt aber in fast allen Beiträgen eine tiefere Analyse der Politik der FDP als solcher.
In der Sendung „Informationen am Morgen“ des Deutschlandfunks, sprach Montag früh der Chefkorrespondent im Hauptstadtstudio Stephan Detjen bei seiner Analyse der gescheiterten Koalitionsgespräche das Wort „disruptiv“ aus: Der Politikstil der FDP sei ein disruptiver. Er sagte auch, dass Christian Lindner mit dem Ausstieg aus den Koalitionsgesprächen die Existenz seiner Partei auf lange Sicht absichern wollte, also ihr inszenierter Abgang Teil einer langfristigen Strategie des Wiederaufbaus, ja der Wiederauferstehung der FDP ist. Dies ist ein Ansatz, den der vorliegende Text versucht, in Richtung Berliner Stadtpolitik weiterzudenken.
Die FDP und die soziale Veränderung
In einem Interview mit dem ZDF Heute-Journal Montag Abend arbeitete Christian Lindner die Punkte, an denen es keine Verständigung zwischen den Parteien gegeben haben soll, noch einmal auf. Immer wieder kehrte er darauf zurück, dass die Kompromisse, welche die FDP für eine Regierungsbeteiligung hätte eingehen müssen, zu weitreichend gewesen wären, und dass die FDP gegenüber ihren Wähler*innen glaubwürdig erscheinen müsse. Die „andere Politik“, welche die FDP vor der Wahl zugesagt habe, fasst er zusammen als „eine andere Bildungspolitik, in Europa eine marktwirtschaftliche Politik,… Entbürokratisierung, Flexibilisierung der Gesellschaft.“, und benannte dies in der Summe wörtlich als Trendwende. Bereits am Morgen hatte die Generalskretärin der FDP, Nicola Beer, im Morgenmagazin des ZDF unter den Themen, bei denen die verhandelnden Parteien unvereinbar auseinandergingen, als erstes die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und die Unterstützung von Gründer*innen hervorgehoben. Ihre Beispiele leitete sie ein mit dem Satz: „Die Digitalisierung ändert unheimlich viel in unserer Gesellschaft, …“, eine Aussage ganz im Sinne des Wahllampfmottos der FDP „Die Digitalisierung ändert alles, wann ändert sich die Politik?“. Beer deutete die „großen Fragen“ an, welche die FDP in den Verhandlungen angesprochen haben wollte. Auch sie sprach von gewünschten Trendwenden, die durch Differenzen der Zukunftsvisionen erschwert würden, und von der Unwilligkeit der anderen Verhandlungsparteien zu einer Modernisierung der Gesellschaft. Ganz auf der Linie von Lindners Erklärung zum Abbruch der Koalitionsgespräche noch in der Nacht zum Montag sagte sie, dass man sich in der Jamaika-Koalition als FDP die Glaubwürdigkeit kaputt machen würde, für die man die letzten vier Jahre gearbeitet habe. Das Interessanteste aber, das sie aussprach, war dass man noch stärker um Unterstützung der eigenen Politik in der Bevölkerung werben würde, ja, sich für den gewünschten Modernisierungsschub Druck aus der Gesellschaft erhoffe. Man muss sich das vor Augen halten: ausgerechnet die FDP redete Montag früh in einem Jargon der sozialen Veränderung, die auch mit Druck „von unten“ durchgesetzt werden solle! Aber wen versucht die FDP eigentlich zu mobilisieren?
Berliner Basis
Zumindest in Berlin zeichnet sich zusammen mit dem Zuzug von Start-Ups und Tech-Unternehmen auch der Aufstieg einer jungen, internationalen und risikofreudigen Generation von Städter*innen ab, die in der Kultur des Silicon Valley heranwächst, mit der Politik der etablierten Parteien (zurecht!) nichts anfangen kann und im Umgang mit den neuen Medien sowie in verschiedenen Aspekten des Marketings versiert ist. Diese Generation wird wirtschaftlich zunehmend wichtiger, und sie ist die gesellschaftliche Basis, um welche die FDP zumindest in Berlin buhlt. Ihre Zukunft kann die Partei hier nur sichern, wenn sie diese Menschen davon überzeugt, dass sie ihre politische Heimat ist. Ist das disruptive Ausscheiden der FDP am Sonntag also auch ein Signal an diese Gruppe von Städter*innen, für die sie selbst noch keinen Begriff gefunden hat, und die sie implizit zur gesellschaftlichen Mitte zählt? Stilisiert sie sich zu ihrer Anti-Establishment-Partei, wie die AFD die Anti-Establishment-Partei der rückschrittlichen Nationalist*innen ist? Wittert sie ihre Chance als Partei der Disruption, die als urbane gesellschaftliche Bewegung bereits im Kommen begriffen ist? Auf Bundesebene vielleicht weniger relevant, sind diese Fragen im Kontext der Stadtpolitik beachtenswerter, als sie in den Medien thematsiert werden. Denn die Disruption hat im Umgang mit dem Wort „Digitalisierung“, der längst im tagespolitischen Sprech aller Parteien fest installiert ist, eine politische Sprache gefunden, der die FDP auch eine politische Praxis geben will – und geben kann: Disruption braucht einfach nur wenig Politik und viel Markt. Der Druck, den sich die FDP dazu aus der Gesellschaft wünscht, ist „Privatisierungsdruck von unten“, und als ausführende Subjekte dieses Drucks kommen, zumindest in Berlin, ebenjene urbane und digital vernetzte Jungunternehmer*innen in Frage. Die Digitalisierung ändert alles – die Disruption ändert die Politik.
Was bedeutet „Disruption“?
„Disruption“ wird mit den Bedeutungen von Bruch mit Altem und dessen Verdrängung durch Neues ganz prominent von der neoliberalen Seite der Verfechter eines extrem freien Marktes besetzt, deren politische Heimat die FDP schon immer war. „Disruption entsteht immer dann, wenn alte Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden“, schreibt der „Zukunftsberater“ Matthias Horx auf dem Blog seines Zukunftsinstituts. Er interpretiert Disruption als konstruktive Störung, die die Entwicklung vorantreibt, als Bestandteil von Evolution. Einen wirklichen Bruch mit etablierten Strukturen – zumindest, was die gesellschaftliche Konzentration von Macht und Kapital betrifft – wollen die Marktextremist*innen aber nicht. Wikipedia schreibt von einer disruptiven Technologie als einer „Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt.“
Die Verdrängung alter Technologien geschieht aber nicht von selbst, sondern über die Verdrängung traditioneller wirtschaftlicher Eliten durch neue Generationen von Unternehmer*innen, und die Umwälzung der Ordnung in den jeweiligen Wirtschaftszweigen durch die Technologien, die sie kontrollieren. Eine Verdrängung von wirtschaftlichem Elitismus zugunsten von mehr gesellschaftlicher Gleichberechtigung ist das nicht: Das alte Establishment wird einfach durch ein neues ersetzt. Wenn von Disruption die Rede ist, ist damit auch ein Stören und Aufbrechen von politischen und rechtlichen Regelungen nur dort gemeint, wo sie dem Vorstoß des Marktes in bisher nicht ausgebeutete Bereiche menschlicher Bedürfnisse im Weg stehen. Und wo sie das neue Unternehmertum dabei behindern, sich der Verwertung von Gemeingütern anzunehmen. Solche Disruption findet nicht statt im Sinne einer vernünftigeren Einrichtung der Gesellschaft, sondern dient letztlich der Privatisierung, der Platzierung eigener Produkte und Dienstleistungen, und dem kulturellen Siegeszug der Lifestyles, die ihren Gebrauch propagieren. Sie ist nicht progressiv. Zusammen mit den Eigentumstiteln an den neuen disruptiven Technologien und Dienstleistungen, welche die alten verdrängt haben, behalten die neuen wirtschaftlichen Eliten, die die alten ersetzen, auch die Führungspositionen für die Gestaltung von Gesellschaft für sich. Und gerade weil dieser Zug der marktextremistischen Disruption undemokratisch ist, gibt sie sich nicht selten unpolitisch, was aber nicht heisst, dass sie nicht auf Bündnispartner*innen in der etablierten Politik angewiesen ist, um erst erfolgreich zu werden. So funktioniert Disruption in der Praxis als Umwälzung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse „von unten“, und im Bewusstsein als Ideologie, die verschleiert, dass es sich bei dieser Praxis um keinen Bruch mit dem Bestehenden handelt, sondern um dessen Weiterentwicklung.
Nur ein gemalter Teufel an der Wand?
Vielleicht ist aber alles gar nicht so dramatisch, wie es hier dargestellt wird. War die kleine FDP nicht schon immer allenfalls als lästige Juniorpartnerin auszuhalten? Und wird sie jetzt, nach ihrem Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen, nicht sogar noch an Zustimmung verlieren? Immerhin gilt sie als die Schuldige für eine in Deutschland noch nie dagewesene politische Situation. Das mag stimmen. Die gesellschaftliche Wirkung kleiner Parteien ist trotzdem nicht zu unterschätzen. Sie entfaltet sich dort, wo stabile Mehrheiten der sogenannten Volksparteien nicht mehr gegeben sind. Denn die politischen Identitäten, welche sie bisher angeboten haben, werden durch die Widersprüchlichkeit der Themen, die sie versuchen, alle unter einen Hut zu quetschen, hart getestet. Das führt dazu, dass sie sich der Stimmen ihrer eigenen Basis nicht mehr sicher sein können, was wiederum kleinen Parteien ein erhöhtes Selbstbewusstsein gibt, und sie für die großen gefährlich macht. Als Protest- und Klientelparteien müssen sie ausserdem kaum gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen, und haben in Koalitionsverhandlungen weniger durch kompromissloses Verhalten zu verlieren. Gerade Letzteres hat die FDP Sonntag Nacht ja gezeigt. Und selbst wenn sie bei Neuwahlen durch die Wähler*innen abgestraft werden sollte, bleibt die Politik der FDP auch da gefährlich, wo sie es selbst nicht ist. Den Fans einer disruptiven, marktextremistischen Politik sitzen längst schon in allen Parteien (ausser, wahrscheinlich, bei den Linken). Die FDP könnte die großen Parteien in Sachen Privatisierung/Disruption vor sich hertreiben, wie die AFD durch ihr Fischen am rechten Rand die CDU in Sachen Sicherheits- und Flüchtlingspolitik vor sich hertreibt. Zumindest was die Schulprivatisierung angeht, haben die Koalitionsparteien aber nicht mal jemanden gebraucht, der sie treibt.
Disruption und Stadtpolitik
Wir, die wir in der Stadt und in den Kommunen zivilgesellschaftliche Politik betreiben, sollten auf all das achten. Der Kampf gegen Verdrängung muss enger mit einer Kritik und einer politischen Antwort auf die Tendenzen der Disruption in der Stadt verzahnt werden. Langfristig sollte das Erhalten von Nachbarschaft zusammen mit der Entwicklung von Nachbarschaft als Gemeingut verbunden werden. Der Privatisierung der sozialen wie der digitalen Infrastruktur müssen realistische Alternativen entgegengestellt werden, für die politisch gestritten werden kann. Denn die Digitalisierung und die Flexibilisierung der Arbeitswelt, der Kieze, und auch des sozialen Engagements, sind Anzeichen einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die nicht zwangsläufig auf Privatisierung und Entpolitisierung hinauslaufen muss. Wir, die stadtpolitischen Gruppen, und eigentlich alle urbanen zivilgesellschaftlichen Akteure, müssen einen Politikstil entwickeln, der sich an diese neuen Bedingungen anpasst, wenn wir die Chancen nicht verpassen wollen, welche die Digitalisierung birgt: die Chancen progressiver Disruptionen, die mit dem Neoliberalismus in der Politik und der Profitorientiertheit in der Wirtschaft brechen. Dazu gehört auch, dass wir Angebote schaffen, die unsere neuen Nachbar*innen, um deren Zuzug nach Berlin die FDP sich in den letzten Jahren aktiv eingesetzt hat, ebenfalls gewinnen können. Wir dürfen die „digital natives“, die innovativen Jungunternehmer*innen, die Arbeiter*innen in der Technik-, Medien- und Kreativbranche nicht durch eine primitive Politik an die FDP oder an Google verlieren, sondern müssen sie davon überzeugen, dass unsere Sache einer sozialen und gerechten Stadt auch die ihre ist. Es liegt im eigensten Interesse der Nachbarschaftsinitiativen Berlins, dass wir Brücken schlagen zwischen diesen Neu- und den Alt-Berliner*innen. Es geht um nichts weniger, als eine neue politische Kultur, die das Lokale, Traditionelle und Nahe mit dem Kosmopolitischen, Modernen und Fernen konstruktiv miteinander in Berührung bringt, damit daraus stabile Koalitionen entstehen können.
Dieser Kommentar spiegelt die Meinung einer Einzelperson wieder, die bei Bizim Kiez aktiv ist.
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung mehrerer Personen wieder, die bei Bizim Kiez aktiv sind!
Wie im ersten Absatz angedeutet, geht nicht allen Medienbeiträgen zu den geplatzten Verhandlungen eine Analyse der Politik der FDP ab. Hier ein kleiner Pressespiegel mit durchaus ergänzenden Artikeln:
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-dem-scheitern-von-jamaika-lindners-plan/20609082.html
http://www.tagesspiegel.de/politik/scheitern-der-jamaika-sondierungen-die-strategie-der-fdp-ist-hochriskant/20607222.html
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-abbruch-der-jamaika-sondierungen-fdp-chef-lindner-bittet-in-brief-an-parteimitglieder-um-verstaendnis/20611542.html
Sehr richtig alles oder zumindest interessant – nur erstens ist das nicht für jeden (auch aus Zeitgründen) immer so einfach zu erfassen wo denn nun die bundespolitischen Zusammenhänge zur Wohnungsfrage vor Ort sind, konkret also dem eigenen Berliner Kiez, der Strasse und noch konkreter dem real zu entrichtenden Mietzins für das Dach über dem Kopf. Zweitens hat die FDP in diesem Teil von Kreuzberg ja nun weniger Erfolg (und weniger private Wohnungseigentümer heir als etwa im Bundesdurchschnitt).
Eine Nachbarschaftsinitiative sollte sich da vielleicht auch nicht zu sehr vergeistigen bzw. auf die eigenen Sprache besinnen an dieser Stelle. Denn es geht weiterhin als erstes um den Erhalt und gegen Verdrängung und dadurch auch um ganz direkte Fragen und notwendige Lösungen, die jede/jeden direkt angehen und zwar für am besten gestern. Eine sich bildende neue Regierung, die sich den Luxus herausnimmt nun vermutlich weitere Monate zu „quatschen“ hilft vielen hier keineswegs in ihren konkreten Sorgen von genau heute. Vielleicht ist diese FDP-Inszenierung auch wiederum ein Teil von dem was konkret um uns herum passiert. Ein Spielen auf Zeit , was auch den Wohnungsmarkt betrifft. Jeder weiteren Monate in denen nicht auf politischer Ebene zielgenau mietrechtlich dringend notwendige Weichen gestellt werden – sind Monate für das hemmungslos gewordene Kapital mit Renditesteigerungen wie bisher – es ist eine Zinseszinsrechnung für Eigentümer (die FDP ist mit 86% Wohnungseigentümern wohl die erste Adresse dafür). Politik vom Schreibtisch bringt zwar etwas für die Zukunft – aber wir wissen doch schon fast alles, es muss nicht wieder und wieder durchgekaut werden. Wir brauchen die Lösungen. Kurz vor dem Winter – und wieviele Bürger leben in dieser Stadt in Mietshäusern, in denen sie von ihren Vermietern verarschst werden, unter Druck gesetzt werden, weil dringend notwendige Reparaturen eben gerade vor dem Winter nicht durchgeführt werden oder nur so getan wird als ob. Ganz bewusst auf Zeit gespielt wird um einerseits die Mieter mürbe zu machen und andererseits die Preisspirale weiter treiben zu können. Eigentlich ist es uns völlig egal inzwischen wie die Regierungsparteien heissen und ob es Neuwahlen oder einen Minderheitsregierung gibt. Wir brauchen Lösungen für unsere feuchten Wände, die einzig allein in desem kriminellen Spiel nach Monaten immer noch feucht sind weil sie gar niemand trocknen will. Wir haben keine Zeit mehr auf die nächste Regierungsblase zu warten.
Hey Jogi,
du hast sicher recht damit, dass es einen großen Widerspruch gibt zwischen den konkreten Problemen, wie sie die Einzelnen treffen, und ihrer Bearbeitung auf der höchsten, bundespolitischen Ebene. Vor allem die Geschwindigkeitsunterschiede sind da groß: während hier unten die Wohnungsnot langsam einem Flähenbrand gleicht, der Stress und Verarmung bedeutet, und sofortige Löschmaßnahmen erfordert, laufen auf der bundespolitischen Ebene die Diskussionen zäh und langsam und oft sehr unbefriedigend ab. Trotzdem ist es wichtig, gerade als lokal arbeitende Nachbarschafts-Ini den Blick für die „Hochpolitik“ nicht zu verlieren, und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen politischen Ebenen immer wieder zu reflektieren. Denn viele rechtlichen Instrumente zum Mieterschutz sind Bundessache. Der Druck von unten, den auch wir versuchen, zu organisieren, muss wissen, wohin er sich wendet, welche Widerstände er aufbrechen muss (und wie er das kann!) und welche Bündnispartner*innen dafür vielleicht in Frage kommen, aber auch wer die Gegner*innen sind. Dass die FDP keine Politik für Mieter*innen macht, ist uns allen klar. Im Artikel geht es ja auch nicht darum, sondern um eine bestimmte wirtschaftliche und politische Kultur, die eben mit „Disruption“ umschrieben wird, und welcher sich die FDP als Partei zur Verfügung stellt. Das ist kein unwichtiger Aspekt, da die Disruption mit der Tech- und Start-Up-Kultur eng verknüpft ist, und Berlin als neues Tech-Mekka gilt. Es ist also wichtig, ein Auge auf diese Entwicklungen zu haben, den wir wollen ja nicht nur hier und da Brände löschen, sondern auch eine neue Stadt- und Wohnungspolitik entwickeln. Das schaffen wir aber nicht ohne die Neu-Berliner*innen, die in diesen Branchen arbeiten – denn die sind schon da. Wir müssen uns also auch um ihren Support bemühen, um ihre Solidarität mit den Alt-Berliner*innen, die verdrängt werden. Die Zeit kann nicht zurückgedreht werden – wir müssen nach vorne schauen, und uns schon Gedanken um eine andere Politik für die Stadt machen, die gerecht ist, und alle, die hier nun leben, gleichermaßen glücklich machen kann. Und darum nehmen wir mit eigenen Positionen auch an eher „vergeistigten“ Debatten teil, um in diese Debatten zu intervenieren. Oder um neue anzustoßen.
Der Artikel ist bestimmt an manchen Stellen etwas lang und vielleicht etwas komplex formuliert ausgefallen. Das ist eben leider Stilsache. Ich kann gewisse Dinge auch nicht anders ausdrücken, bzw. müsste da noch extra-Zeit investieren, die ich einfach nicht habe, um weiter runter zu brechen, was ich meine. Der Artikel musste auch schnell raus, um zeitnah zu Sonntag veröffentlicht zu werden. Das hat was mit der Aktualität von „News“ zu tun, der leider alles, was mit Medien zu tun hat, eben untersteht. Ich hoffe, du verstehst das.
Viele Grüße
Ja dieses hier erscheint mir auch ein wichtiger Aspekt dabei zu sein:
„Das schaffen wir aber nicht ohne die Neu-Berliner*innen, die in diesen Branchen arbeiten – denn die sind schon da. Wir müssen uns also auch um ihren Support bemühen, um ihre Solidarität mit den Alt-Berliner*innen, die verdrängt werden. “
Denn wenn die „Neuen“, die ja in den meisten Fällen auch die „Jüngeren“ sind keine Anknüpfungspunkte zur Geschichte des Kiezes und seiner gewachsenen Vitalität finden, fangen sie an den Ist-Zustand, der ja schon teilweise ein Resultat von profitorientierter Verdrängung ist, eher kritiklos hinzunehmen . Die, die da bereits auf einem höheren Mietniveau hier angekommen sind, und besonders die, die zwar einen Job im neuen Mekka gefunden haben, aber keine Wohnung oder eben nur zu horrenden Bedingungen. Die wenden sich schnell auch mal vorurteilhaft und mit Unverständnis gegen die „locals“, die da ihre über Jahrzehnte gewachsenen Wohnverhältnisse und sozialen Strukturen verteidigen. Mit anderen Worten es geht eigentlich auch um eine sehr brisante Mischung dabei, der mit Bedacht und gegenseitigem Kennenlernen begegnet werden sollte. Deswegen sind u.a. die Bizim-Kiez Strassenaktionen ja auch sehr sinnvoll.