Oppelner Str 28 – Verdrängung als Geschäftsmodell

Das Haus in der Oppelner Str. 28 ist nach Außen hin nicht besonders auffällig und doch steht es exemplarisch für den Umbau der Stadt durch profitgetriebene Interessen der Wohnungswirtschaft. Hier werden Menschen verdrängt, die seit vielen Jahrzehnten in Kreuzberg leben – Lebensentwürfe von ganz unterschiedlichen Menschen werden zerstört, weil sie nicht zur Renditeerwartung der Immobiliengesellschaft passen.  

Vorne Wohnungsmieter/innen, hinten ein Selbsthilfeverein

Das Vorderhaus ist in einer typischen Kreuzberger Mischung bewohnt von Familien, WGs und Einzelpersonen verschiedenster Herkunft – die ganze Kreuzberger Vielfalt. Die meisten Mieter/innen leben bereits seit vielen Jahren hier. Im Hinterhaus befindet sich das 1983 gegründetes Selbsthilfeprojekt „Leben und Lachen e.V.“, was die leerstehende Hinterhaus-Ruine mit Hilfe städtischer Fördermittel in Eigenleistung vor dem Verfall gerettet hat und seitdem bewohnt. Das gesamte Ensemble wurde bereits in den 90er Jahren in Eigentumswohnungen aufgeteilt.
2007 wurde das Haus dann an eine große internationale Immobiliengesellschaft verkauft. Der damalige Preis lag bei ca. 500€/m2. Daraufhin wurde dem Selbsthilfe Verein erstmals gekündigt aber durch Verhandlungen konnte ein neuer 10-jähriger Vertrag abgeschlossen werden. Dieser Vertrag hat zwar zwei 5-jährige Verlängerungsoptionen, aber die heutigen Eigentümer des Hauses wollen räumen lassen.

Seit 2007 mehrfache Verkäufe des Hauses

Nachdem die Immobiliengesellschaft, die 2007 das Haus gekauft hatte, im Rahmen der weltweiten Immobilienkrise insolvent ging, wurde das Haus zwischenzeitlich mehrmals verkauft, bis es 2014 dem Portfolio der BOW 2 GmbH für vermutlich 1.6 Mio € einverleibt wurde. Die BOW 2 ist eine von insgesamt drei BOW (1 bis 3)-GmbHs, die im Verbund mit der ALW Immobilien GmbH allein in Berlin 1200 Wohnungen im innerstädtischen Bereich besitzt und für ihre aggressive Entmietungspraxis, z.B. aus der Monumentenstraße 19, bekannt ist.

Schnell aufhübschen und den Preis hochtreiben

In letzter Zeit wurden im Vorderhaus und Hof einige wohnwerterhöhende Merkmale angebracht und meist nur oberflächlich wohnraumverschönernde Baumaßnahmen durchgeführt – allesamt ohne Vorankündigung, Information und Einbeziehung der Mieter. Darunter zählen: Treppenhausanstrich und Sisalteppich, Instandsetzung Fassade, Neugestaltung des Hofes mit Sitzbank, dafür Wegnahme eines Kindersandkastens und Zerstörung alter Bäume und Bepflanzungen, Neueinteilung der Keller, Mülltonnenunterstellplatz. Einzig der Austausch einer reparaturbedürftigen Ölsammelheizung durch eine Gassammelheizung schien tatsächlich notwendig. Unter dem Vorwand der energetischen Modernisierung musste das Hinterhaus den Anschluss an die Gaszentralheizung des Vorderhauses dulden, was im April/Mai dieses Jahres geschehen ist. Kurz darauf wurde dem Verein im Hinterhaus gekündigt und die Nebenkosten für die Heizung um 240€/mtl. erhöht.

Aggressives Entmieten durch die Eigentümergesellschaft

Im Vorderhaus ist mehreren langjährigen Mietern bereits gekündigt worden, die das Haus leider schon verlassen haben. Ihre Wohnungen werden nun nach einem Umbau für 5300€/m2 als Eigentumswohnungen zum Verkauf angeboten. Zwei weitere Mieter sind aktuell bedroht. So erhielt eine Familie, deren Mietkosten vom Sozialamt getragen werden, eine außerordentliche Kündigung mit einer Fristsetzung zur Räumung von 5 Tagen. Außerdem wurden gegenüber anderen Mietern Abmahnungen wegen Lappalien ausgesprochen. Die Mieter/innen erhielten Mietpreiserhöhungen, viele bis zum höchstzulässigen Betrag.

Die Eigentümer scheinen bei den Wohnungen der Oppelner Str. 28 nicht weiter an einer Vermietung interessiert zu sein. Die Geschäftsstrategie der ALW-Immobiliengruppe besteht eher darin Spekulation mit Wohnraum zu betreiben: in möglichst kurzer Zeit ganze Wohnhäuser aufzukaufen, diese oberflächlich verschönern, entmieten, um dann die Wohnungen einzeln und unvermietet zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen. Dabei werden die Verfahren zu Räumungsklagen von einer darauf spezialisierten Kanzlei vertreten, die mit den Immobilienfirmen durch alle Instanzen geht.

Mieterhöhung um über 600 Prozent für die Wohngemeinschaft

Dem Verein im Hinterhaus, dessen Mitglieder das Haus seit nun 30 Jahren bewohnen, wurde eine fast 620%ige Mieterhöhung angeboten und gleichzeitig eine Kündigung bei Nichteinigung ausgesprochen. Hier wohnen Familien, zur Zeit darunter drei sehr kleine Kinder im Alter von einem bis anderthalb Jahren, Künstler/innen, Studierende, Schüler, Rentner/innen – Menschen die seit mehr als 20 Jahren hier verwurzelt sind, ihre Kinder im Haus zur Welt gebracht und großgezogen haben, welche nun wiederum hier wohnen wollen. Es wird eine Wohngemeinschaft auf 280m2 gelebt und bei einem einfachen Sanierungsstand mit Außentoiletten werden gemeinsam Küche und Bad geteilt – viel mehr als eine Zweck-WG.

Extreme Preissteigerungen werden kassiert – mit „Investitionen“ hat das nicht zu tun

Die Menschen im Haus sollen nun Opfer einer Spekulation werden. Innerhalb von 10 Jahren hat sich der Quadratmeterpreis in diesem Haus von 500 Euro pro m2 auf über 5300 Euro pro m2 mehr als verzehnfacht, die Mieten sind emporgeschnellt und Lebensraum wird ausschließlich als Spekualtionsobjekt gehandelt – ohne jegliche Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bewohner/innen.

Doch hier leben Menschen, die hier verwurzelt sind. Sie haben ein Zuhause und wollen sich nicht vertreiben lassen. Vor allem nicht von sogenannten „Investoren“, die keinen Bezug zum sozialen Milieu und keine Relation zu alltäglichen existenziellen Fragen der normalen Bevölkerung haben, deren einziges Ansinnen offensichtlich die krasseste mögliche Spekulation mit unserem Wohnraum ist, statt sozialverantwortlicher Vermieter zu sein.

Öffentlicher Protest gegen asoziales Handeln

Am Mittwoch, den 31.5. machen wir eine Kundgebung mit und für die Nachbarschaft und alle Interessierten – mit Informationen zum Fall, Musik und Kultur, mit Essen und Trinken – gegen Verdrängung und immer weiter steigende Mieten. 

#wiedereinhaus | #oppelner28 |#bizimkiez

Nachtrag Oktober 2017

Die Kundgebung war zum einen erfolgreich, da sie andere betroffene Häuser auf die BOW aufmerksam machte und zu einem Vernetzen der Häuser untereinander führte! Zum anderen war  die BOW erstmals bereit über den Mietpreis zu verhandeln. Die Verhandlungen wurden von der BOW aber dann   abgebrochen und der  betroffene Teil des Hauses einfach weiterverkauft. Offensichtlich wurde es der BOW zu unbequem. Widerstand lohnt sich!

Facebook Event aufrufen