Milieuschutz funktioniert nur mit Vorkaufsrecht. Die Ampel muss das regeln!

Was da gerade vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden wurde, schwächt den Kampf gegen Verdrängung in Berlin und in anderen Städten mit angespannten Wohnungsmärkten. Die Kommunen bundesweit haben jetzt keine Möglichkeit mehr, beim profitgetriebenen Verkauf von Mietshäusern das Vorkaufsrecht geltend zu machen, das sie genutzt haben, um die Häuser an kommunale oder andere gemeinwohlorientierte Wohnungsgesellschaften zu geben.

Menschen gegen Verdrängung durch das Marktgeschehen schützen

Das Ziel des Milieuschutzes ist, die in den Häusern wohnende Bevölkerung vor Verdrängung zu schützen. Möglich gemacht haben das die Bestimmungen der „sozialen Erhaltungssatzungen“ (umgangssprachlich Milieuschutz genannt), die über weite Teile der Stadt Berlin, aber auch zum Beispiel über München oder Hamburg, aufgespannt wurden. Damit ist es jetzt vorbei! Es wird bei der jetzigen Gesetzeslage – soweit die schriftliche Urteilsbegründung nichts Neues birgt – wohl keine weiteren Vorkäufe mehr geben können. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat den, jüngst von der GroKo im Bund geänderten, Gesetzestext wörtlich ausgelegt. Bis zuletzt galt noch das Urteil des Oberwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von 2019 als maßgegbend, das den Gesetzestext genau konträr interpretiert hatte und grünes Licht für Vorkäufe zum Schutz der Wohnbevölkerung gegeben hatte.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht das nun anders und sagt, dass auch in Milieuschutzgebieten ein Paragraf gelte, der das Vorkaufsrecht ausschließt, sofern kein baulicher Missstand auf dem Grundstück bestehe. Das Gericht sagt, der Gesetzgeber werde sich schon was dabei gedacht haben, diesen Paragrafen nicht geändert zu haben, und leitet daraus ab, dass das Vorkaufsrecht nur noch begründet werden könne, wenn zum Zeitpunkt des Verkaufs ein solcher baulicher Missstand bestehe. Man kann das praktisch übersetzen: Nur wenn ein Haus als unbewohnte Schrottimmobilie auf einem Grundstück steht, wo eigentlich super Wohnraum sein sollte, kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden.

Kein Schutz mehr durch Abwendungsvereinbarungen zu erwarten

Damit wird die bisherige Praxis vollkommen unmöglich! Bisher konnte die Kommune argumentieren, dass es Grund zur Annahme gäbe, dass die neuen Eigentümer*innen das Haus aufwerten und die Mieten verteuern werden, was zu Verdrängung führe. Ihre Ablehnung der Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung belege genau das. Um Verdrängung zu verhindern, konnte das Haus an gemeinwohlorientierte Dritte überführt werden, die dann ihrerseits Garantien für die Bewohner*innen geben mussten. Wenn die eigentlichen Käufer*innen allerdings selbst diese Garantien geben wollten, konnten sie den Vorkauf abwenden – darum heißen diese Garantieverträge „Abwendungsvereinbarungen“. Sie sind ein wichtiges Werkzeug, um Verdrängung zu verhindern, oder zumindest deutlich hinauszuzögern.

Nach dem Urteil scheint nun auch klar, dass die rund 700 Abwendungsvereinbarungen, die in den letzten Jahren von Immobilienspekulanten „abgepresst“ werden konnten, die letzten waren. Jetzt gibt es keinen Grund mehr für Käufer*innen, auf irgendwelche Mieter*innen-schützende Forderungen der Kommunen einzugehen – sie haben ja eh keine Handhabe, um Druck zu machen. Ob die abgeschlossen Vereinbarungen dicht bleiben, ist zu vermuten, aber noch nicht sicher.

Die Ampel muss das Gesetz korrigieren

Es ist aber absolut klar, dass ein mit dem Milieuschutz verbundenes Vorkaufsrecht die Dynamik in den Kampf für den Erhalt der Kieze brachte. Der Mechanismus war nie perfekt und es gab bis zuletzt reichlich Probleme, insbesondere weil die preistreibende Wirkung des Marktes dadurch nicht gebrochen werden konnte. Wir fordern seit Jahren eine wirksame Preislimitierung, damit Kommunen nicht die spekulativen Mondpreise bedienen müssen. Aber ganz ohne Vorkaufsrecht wird ein ungebremster von der Immobilen-Spekulation angetriebener Raubzug durch unsere Kieze gehen. Das nehmen wir nicht hin!

Es braucht nun umgehend die Heilung der missratenen §§ 24, 25, 26 BauGB durch die neue Koalition im Bund. Die Ausschüsse des Bundesrates hatten im Prozess der Baugesetzbuch-Novellierung 2020 die GroKo-Partner sogar darauf hingewiesen, dass die Formulierung zu den Ausschlussbedingungen des Vorkaufs geändert werden müsse, weil sonst die Gefahr bestünde, dass die gesetzgeberische Intention verloren gehe. Sie mahnten in ihren Empfehlungen,  „den Wortlaut mit dem eigentlichen Zweck der Vorschrift in Übereinstimmung zu bringen“. Welch bitteres Versäumnis!  Die Ampel muss das jetzt richten, und Grüne und SPD müssen sich hier gegen die FDP durchsetzen. Die hatte in ihrem Wahlprogramm doch tatsächlich gefordert, den Milieuschutz gleich ganz abzuschaffen. Sollte nicht einmal so eine kleine und konkrete Forderung durchsetzbar sein, fragt man sich doch, warum es überhaupt eine Ampel geben sollte.

Auf zum Laternenumzug als Milieuschutzdemo

Beim Laternenumzug mit Kiezdrachen am Samstag, 13.11. ab 17 Uhr am Heinrichplatz werden wir mit Bizim Kiez und vielen anderen Initiativen dafür demonstrieren, dass unsere Kieze lebendig bleiben können. Es braucht dazu das Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet!

Mehr zur Drachendemo für Milieuschutz

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