*Alle müssen wohnen* – ein fast bitterer Slogan

Doch 50% der Mieter*innen fühlen sich existenziell bedroht

Das große gesellschaftlich legitimierte Geschäft mit der Angst, über Jahrhunderte etabliert, um mit der Ware Wohnraum finanzielle Gewinne machen zu können und Menschen gleichzeitig gefügig zu „veranstalten“. All das natürlich zunächst eher aus der Sicht der Mieter*innen betrachtet. Dabei wird so oft verkannt welche gesellschaftliche Errungenschaft auch im Bezug auf freiheitliches Denken Mietverhältnisse eigentlich bedeuten. Der Besitz einer eigenen Immobilie ist keineswegs die einzige Lösung.

Das Projekt Mietenwatch

Das durch das Bundesministerium für Forschung und Bildung, sowie dem Protype Fund geförderte Projekt Mietenwatch hat statistische Zahlen errechnet und nun veröffentlicht, die auch schon vorher an anderer Stelle (Infografiken der Berliner Morgenpost oder des Tagesspiegel’s z.B.) in ähnlicher Art im Ansatz zu Tage kamen – und sie bleiben weiterhin alarmierend trotz veränderter Situation, trotz Mietpreisbremse, Mietendeckel, trotz Widerstand und Initiativenlandschaft etc. und erklären auch in gewisser Weise weiterhin die immer noch bestehende Schockstarre, die Stillhaltestarre, die scheinbar viele Menschen dieser 85% Mieterschaft hier in Berlin dazu bringt in „letzer Not“ Mietvertragsverhältnisse einzugehen oder Situationen nach wie vor stillschweigend zu dulden, die längst als inhuman bis erpresserisch oder willkürlich erkannt wurden. Eine besondere Stadt mit ganz besonderer historischer Lage weiterhin unter enormen Druck. Aber gleichzeitig auch die immerwährende deutliche Herausforderung nicht dem gleichen Diktat wie anderswo zum Opfer zu fallen. Die Forderung nach sozial orientierter Vitalität an jeder Ecke, nachbarschaftliches Leben, in jedem Kiez, zu jedem Zeitpunkt – eine wichtige Antwort auf bedrückende Zahlen. Bizim Kiez engagiert sich von Anfang an nicht nur dafür.

Datenbasis

Ob die Beobachtung (Mietenwatch) und Analyse von ca. „80.000 Wohnungsangeboten“ (Angebotsmarkt und nicht Bestand) über weniger als zwei Jahre hinweg nun tatsächlich als Datenbasis ein hinreichendes Bild der Gesamtsituation der Stadt geben kann bleibt dabei soweit etwas unbeantwortet, denn sie spiegelt ja in erster Linie die Neuvermietungssituation (die Wohnungsangebote auf einschlägigen Immobilienportalen) wieder. Immerhin werden auch Aspekte wie Leistbarkeit für bestimme Bevölkerungsgruppen (Studenten, Hartz IV, Miitelstand usw.) analysiert und darstellbar gemacht und das hat im Umkehrschluss wiederum auch grosse Bedeutung für die Bestandsmieten und die Lebenssituation dieser Menschen. Denn ein Wohnungsmarkt auf dem weniger als 2% bezahlbare Wohnungen verfügbar sind ist quasi blockiert, Fluktuation und damit ebenso eigentlich verfassungsmässig garantierte Freizügigkeit für jeden Menschen in diesem Land sind nicht mehr gegeben und das verschärft widersinnigerweise die Lage auf dem Markt zusätzlich (niemand gibt seine Wohnung mehr auf).

Auch die taz nimmt sich der Präsentation an und kommt zu dem nicht ganz neuen Ergebnis: Berlin – Stadt der Reichen
„Mietenwatch hat fast 80.000 Wohnungsangebote ausgewertet. Vor allem in den Innenstadtbezirken sind die Mieten für die Mehrheit nicht mehr leistbar.“
https://taz.de/Mietenwatch-Studie/!5628447/

Weil all das inzwischen durch die Initiativenarbeit zusammen mit etablierter Medienarbeit zur Erkenntnis der Bewohner Berlins geworden ist in den letzten Jahren wird zwangsläufig mehr als offensichtlich, dass zur „Rettung“ der Stadt zusätzlich völlig neue Wege und visionäre, nahchaltige Konzepte notwendig sind. Die Kapazitäten sind auch längst da, genauso wie die selbsbewusste Hoffnung, dass Studien, Analysen, Empörung, Zivilcourage und Widerstand +++ schlussendlich genug „drive“ entwickeln die Kurve im Vergleich zu anderen „hotspots of gentrification“ zu kriegen. Wenn nicht in Berlin, wo dann?

Berechnungsbeispiele

  • 1100 €, 1 Zi => Du kannst dir 4 % (496 von 14135) der Angebote in Berlin leisten.
  • 1100 €, 2 Zi => Du kannst dir 0 % (9 von 30225) der Angebote in Berlin leisten.
  • 1500 €, 2 Zi => Du kannst dir 1 % (428 von 30225) der Angebote in Berlin leisten.
  • 2000 €, 2 Zi => Du kannst dir 17 % (5173 von 30225) der Angebote in Berlin leisten.
  • 2500 €, 3 Zi => Du kannst dir 20 % (3974 von 19820) der Angebote in Berlin leisten.
    (Stand 09. Okt 2019)


Ein typischer Single Haushalt


Das Jobcenter würde nur noch für 10 % aller Angebote die Miete übernehmen.


Selbst für ein Paar mit durchschnittlichem Einkommen (double income no kids)
kämen nur 38% der Angebote in Frage


Leistbare Wohnfläche im Vergleich der Bezirke


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