Wer Immobilen aufwertet, wertet Menschen ab.

Wertung-Immobilien-Menschen

Wir kennen die unglaublichen Geschichten alle zu Genüge – hier im Kiez und überall anders: Mieter/innen werden mit allen Mitteln unter Druck gesetzt – psychologisch mit fristlosen Kündigungen oder Ankündigungen von Baumaßnahmen, Mietsteigerungen und Räumungsklagen, die gerne genau vor den Ferien oder kurz vor Weihnachten überbracht werden, sowie physisch durch das blick- und beinahe luftdichte Einrüsten hinter Baufolie, das Abreißen von Treppen, dem gezielten Abstellen von Heizung, Wasser, Gas. Wenn das alles noch nicht reicht, um die Mieter/innen zu vertreiben, dann werden Keller ausgeräumt, Dächer abgerissen, Fenster abgebaut oder sonstige erniedrigende Schikanen durchgezogen.

In Berlin gibt es eine Menge Fälle, in denen all das passiert ist. Genannt seien nur das Haus in der Kopenhagener Straße 46 und das in der Zossener Straße 4, das dem gleichen Investor gehört wie das Haus in der der Wrangelstraße 77 (Bizim Bakkal).

Wie ist es möglich, dass ein Teil der Immobilienwirtschaft diese Art der verdrängenden Entmietung zu einem regelrechten Geschäftsmodell entwickeln konnte?

Die Wahrheit ist, dass die verdrängten Menschen, deren Leid und Ausgeliefertsein kaum zu ertragen ist, weil es jedem Gerechtigkeitsgefühl zuwider läuft, am Ende einer „Immobilien-Aufwertung“ einfach nicht mehr da sind. An deren Platz machen stattdessen schicke und profitable Häuser einen glänzenden Eindruck. Nervige, anklagende Problemfälle werden gegen gutaussehende Vorzeigeimmobilien ersetzt. Endlich kehrt dann wieder Ruhe ein und alle sind froh, dass der Ärger endlich vorüber ist. Und die neuen Mieter/innen oder Käufer/innen sind ja eigentlich auch ganz nett – die können ja irgendwie auch nichts dafür. Ja, es war ungerecht, aber jetzt ist es eben so und was soll man schon machen …

Es kommen einige Aspekte zusammen, die diesen Lauf der Fälle begünstigen.

Erstens: Das Gesetz zur „Förderung der energetischen Sanierung“ ist ein handfester Skandal! Es sollte bewirken, dass Hausbesitzer ihre Immobilen ökologischer gestalten, was mit staatlicher KfW-Förderung angeschoben werden sollte. Im Ergebnis ist es aber ein Gesetz, dass Instandhaltung bestraft und Luxus-Sanierung belohnt.
Es ist mit dem vorgeschützten Sinn des Gesetzes nicht zu erklären, warum Hausbesitzer alle Kosten der Sanierung auf die Miete umlegen können, wobei völlig egal ist, wie hoch die Kosten sind. Welchen ökologischen Sinn haben Balkone, Lifte und ähnliche Maßnahmen? Wie kann damit der CO2-Ausstoß reduziert werden?
Und warum gibt es keine Prüfung des ökologischen Nutzens der Maßnahmen? Im großen Stil werden völlig falsche Dämmungen und ungeeignete Heizsysteme verbaut, so dass Energiewirte nur noch abwinken, hochgiftige und feuergefährliche Materialien werden auf Fassaden geklebt, so dass selbst die Feuerwehr öffentlich davor warnt.
Investoren können dabei aber nur gewinnen: Es gibt Fördergeld und sie können alle Kosten über Mieterhöhungen refinanzieren, wobei die Miete für alle Zeiten auf dem neuen, hohen Niveau bleiben kann. Einfach super für Investoren und alle beteiligten Gewerke!
Dieses Gesetz ist einzig ein gut funktionierendes Wirtschaftsförderungsgesetz und alle wissen es.

Zweitens: Der Immobilienmarkt hat die nötige Dynamik, so dass auch erhöhte Kosten locker eingepreist werden können. Es ist kein Problem einem Mieter eine 30.000 € Auszugsprämie auszuzahlen, wenn man mit seiner Wohnung anschließend 150.000 € Gewinn machen kann. Es gibt so viele Käufer/innen im In- und Ausland, die sich nicht dafür interessieren, ob in den Häusern vorher Menschen verdrängt wurden. Sie sehen nur die gewinnbringende Marktentwicklung und sie müssen ja irgendwo hin mit ihrem Geld – auf der Bank bringt es doch nichts mehr. Dann sollen sie ihr Geld doch in sanierte Altbauten in Berlin stecken – besser hier als anderswo.

Drittens: Mieter/innen wollen eigentlich nur ihre Ruhe und sie wollen nicht auch noch um ihren Wohnraum kämpfen müssen. Schon allein der erste Brief eines Hausbesitzers an seine Mieter/innen, in dem eine Modernisierung angekündigt wird, bewirkt in der Regel, dass einige ausziehen. Das liegt daran, dass die unverschuldete Kündigung der eigenen Wohnung, psychologisch wie eine Vergewaltigung wirkt. Man will mit Menschen, die so etwas tun, einfach nichts zu schaffen haben. Instinktiv will man nur noch weg. Die Vorstellung, dass das eigene Zuhause, der Ort, an dem man Kraft tankt, ein Ort des Konfliktes und der Auseinandersetzung wird, bringt viele Menschen völlig aus dem Gleichgewicht. Und es zersetzt die Nachbarschaften. Nicht daran zu denken, langwierige Rechtstreitigkeiten gegen den Hausbesitzer auszutragen, denn will man am Ende wirklich in einem Haus leben, in dem alle gegen einen sind?

Im Ergebnis dieser „Umstände“ hat sich eine professionelle Dienstleistungsindustrie entwickelt, die es auch relativ unbedarften Investoren ermöglicht, spekulativ ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Es gibt inzwischen Hausverwaltungen, die darauf spezialisiert sind, Entmietung voranzutreiben. Damit deren Vorgehen nicht ganz so brutal wirkt, ziehen sie dann gerne noch ein Mediationsunternehmen hinzu, das vermitteln soll. Tatsächlich ermitteln solche Mediatoren eher für die Investoren. Anwälte beraten gerne, wie man aufwertende Maßnahmen so formulieren muss, dass es beim Beantragen der Fördergelder keine Probleme gibt. Auch beim etwas radikaleren Verdrängen muss man einiges beachten, damit Streitigkeiten vor Gericht nicht zu kostspielig werden. Und auch Architekten spielen mit beim Herauszögern von Baumaßnahmen, so dass z.B. über Monate heftige Staubbelastungen bestehen, oder wenn Kamine mitten im Winter abgerissen werden, so dass nicht mehr geheizt werden kann.

Und was ist nun das Fazit?

Stehen Mieterinnen und Mietern tatsächlich nur schlechte Menschen gegenüber und es gibt keine Handhabe gegen sie? Leider muss man sagen, haben einzelne Mieter/innen gegen aggressive Hausbesitzer tatsächlich schlechte Karten. Stärke finden sie nur in der praktischen Selbstorganisation der Gemeinschaft und mit schlagkräftiger anwaltlicher Unterstützung. Aber zermürbend ist auch dieser Weg.

Darum bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als das laute Einfordern einer politischen Lösung. Und als erstes muss das Fördergesetz zur energetischen Sanierung geändert werden. Es darf nicht sein, dass staatliche Förderung sozialen Druck in die Gesellschaft ausübt.

Die Politik muss die Immobilienwirtschaft endlich wieder an die Leine nehmen und gesetzliche Lösungen schaffen, damit Verdrängung aus Profitinteresse nicht mehr möglich ist!

Unterzeichnet unsere Petition!