Treffpunkt Briefkasten

Es gab einmal eine trostlose Kreuzung, wie so viele hier im Kiez. Nur ein paar Autos standen herum am Straßenrand, ab und zu fuhren auch welche vorbei. An der Ecke Cuvry- / Wrangelstraße, dadurch dass die Neubauten Cuvry Nr 40 bis 45 beim Wiederaufbau nach dem Krieg etwas zurückgesetzt worden waren, war ein breiterer Bürgersteig entstanden, die Straße behielt seine ursprüngliche Breite.

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die Ecke ca. 1980

Ende 70er Jahre war eine Initiative für Kreuzberg entstanden, die „Strategien für Kreuzberg„, sie sollte den Abwärtstrend der Kieze aufhalten und neue Ideen entwickeln, um für die deutsche Bevölkerung die Gegenden attraktiver zu Gestalten und deren Wegzug zu stoppen. Daraus entstand u.a. der „Verein SO 36„, er sollte die Bevölkerung in die Entscheidungen miteinbeziehen. So z.B. bei der Planung des Schwimmbades am Spreewaldplatz, da sollte ein Sportschwimmbad entstehen wie das am Sachsendamm. Die befragte Bevölkerung wollte aber lieber ein Freizeitbad haben und in der Tat, es wurde ein Bad fürs Volk hingestellt mit Wellenbad und Nichtschwimmer Becken für die Kinder.

Die breite Fläche an der Cuvrystraße sollte zum Cuvryplatz umgestaltet werden, um die Ecke zum Aufenthalt attraktiver zu gestalten. Pläne wurden den Anwohner_Innen vorgestellt, sie sollten ihre Meinung dazu äußern. Ein häufiger Vorschlag kam, dass die vorgesehenen Skulpturen auf die Mitte des Platzes gestellt werden sollten. Ende der Anhörung.

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der Platz nach 1983

Groß war die Überraschung als die Baumaßnahmen ihrem Ende entgegen gingen; die gelieferten Skulpturen lagen immer noch am Rande der umgestalteten Fläche. Ebenso bei der Freigabe des „Platzes“ 1983. Auf die Frage warum sie nicht in die Mitte kamen, gab es die lapidare Antwort „auf der Mitte des Platzes, hätten sie den Verkehr behindert“. Mit der Folge, dass aus der Freifläche nie ein Platz wurde.

Mag er aussehen wie er ist, er fand auch so eine soziale Daseinsberechtigung im Leben des Kiezes. Sehr schnell gaben sich die Trinker_Innen der Nachbarschaft das Stelldichein auf dem “ Platz“ vor REWE anstelle vor Kaisers. Sitzmöglichkeiten gab es noch nicht, die heutigen 4-eckigen „Sitzmöbel“ als Parkhindernis wurden erst 2002/03 hingestellt. Also wurde gestanden.

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Rund um den Briefkasten vor REWE

Da spielte der Briefkasten, der damals noch vor REWE stand, eine zentrale Rolle. Um die Hände frei zu haben und sich nicht bücken zu müssen wurden die Bierflaschen auf den Briefkasten gestellt und die Leute standen drum herum. So entstand die „Säufer-Theke“, wie der Briefkasten in der Nachbarschaft nun genannt wurde. Ging man/frau einen Brief einwerfen, gab es jedesmal einen Kommentar dazu, zusätzlich auch oft eine Beihilfe, indem die Klappe einem hoch gehalten wurde. Die Nachbarschaft kam sich näher und selbst die Mißlaune der Schreibenden konnte der heiteren Stimmung um die „Theke“ keinen Schaden antun.

Lange wäre es so geblieben, hätte es den Briefkasten länger gegeben. Aber er wurde weg rationalisiert – wie viele andere auch, z.B. den in der Görlitzer an der Tankstelle. Ein großer Aufschrei wurde das, als ihr Kasten, ihre Theke, Anfang April 2003 schwuppdiwupp verschwand.

Zum Glück sorgte der Bezirk einige Monate später für Ersatz und gestaltete den Platz neu, um das wilde Parken zu verdrängen, indem er diese hässlichen Klötze an die Kreuzung platzierte. Von diesen „Sitzmöbeln“ ist der Boden nicht mehr so weit und der Griff zur Flasche nicht mehr so anstrengend für den Rücken. Die parkenden Autos, die eigentlich von den Klötzen hätten verdrängt werden sollen, die stehen jetzt davor, in zweiter Reihe sozusagen, und sorgen damit für zusätzliche Verkehrsberuhigung. Ein Gewinn für alle, sogar pekuniär für den Bezirk.

François aus dem KGH

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