Flüchlingshilfe im Wrangelkiez
Die 80er Jahre waren im Wrangelkiez eine aufregende und lebendige Zeit. Flüchtlinge gab es damals auch schon, die meisten kamen aus dem Bruderland jenseits der Mauer. Der Wrangelkiez wurde zum Refugium und neuen Heimat der Widerspenstigen aus dem Osten, die der DDR-Staat in den Westen verkauft hat. Öffentlicher Treffpunkt war das „Kuckucksei„, wo sie eine neue Heimat fanden, zwangsweise! Heute der best bekannte, Roland Jahn, wohnte in der Görlitzerstraße. Es kamen unter anderem die Leute der Friedensbewegung aus Jena.
Aber es gab auch schon andere Flüchtlinge, die kein Deutsch sprachen, in Flüchtlingsunterkünfte, verteilt in der Stadt, in Kreuzberg nicht, schon etwas weiter weg, in Tempelhof, Spandau …
Hier im Kiez war die Taborgemeinde besonders aktiv, indem sie Flüchtlingen half sich in den Kirchenräumen zu verstecken vor den Häschern des Staates. Und das mit Erfolg …Mein Thema ist ziviler Ungehorsam.
Ähnlich wie die Kirche fanden sich Initiativen, die den Flüchtlingen helfen wollten, u.a. um sich von den staatlichen Zwängen zu befreien, um ein menschliches Leben führen zu dürfen.
Im Kerngehäuse hatte sich Ende 1980 ein Sprachchenzentrum gegründet, wo Deutsche und Ausländer Sprachen unterrichteten aber auch fremde Kulturen vermittelten und internationale Themen in Veranstaltungen diskutierten und bekannt machten, oder Austausche organisierten mit Belfast, Barcelona, Paris oder mit dem Baskenland. Da lag es nahe Deutschkurse in Asylheimen anzubieten, wobei der Kontakt mit den Flüchtlingen dazu führte, dass wir zu Mediatoren wurden zwischen den örtlichen Verantwortlichen und den Flüchtlingen; ihre Wünsche und Forderungen in den Heimen weitertrugen.
Einer ihrer Wünsche, bestand darin, mit Geld einkaufen zu gehen statt mit Gutscheinen, um auch in den Läden einkaufen zu können, wo sie auch die Nahrungsmittel fanden, die sie von zu Hause aus kannten. Denn die Gutscheine durften nur bei den damaligen großen Ketten eingetauscht werden, – Kaisers, Reichelt, Bolle, die kein großes Gemüsesortiment führten damals -, nicht in den türkischen Läden.
Die Idee war einfach: die Gutscheine der Flüchtlinge werden getauscht gegen Bares, ein Stück Papier, nichts wert, gegen 20 feste Deutsch-Mark (DM). Initiativen hatten das ausgegeben u.a. die AL, die „Alternative Liste“ (später „die Grünen“). Eine Stelle wo dieses möglich wurde war Babylonia, im Kerngehäuse.
Jede/r konnte vorbeikommen und Gutscheine erwerben gegen Bezahlung von 20 DM/Stück. Damit sollte/konnte dann eingekauft werden. Aber so einfach wurde das nicht. Viele Märkte weigerten sich die Gutscheine von deutschen Bürgern anzunehmen, nur nach Vorzeigen des Personalausweises konnte ein Flüchtlingsstatus überprüft werden. Das konnten wir nicht hinnehmen, also wurde beschlossen, gemeinsam am Samstag einkaufen zu gehen, z.B. bei Kaisers am Kotti am Samstag um 11 Uhr zur besten Zeit (damals schlossen die Läden noch um 13:00 fürs Wochenende). Es wurde ein Heidenspaß.
Wir füllten, nachdem es klar wurde, dass unsere Gutscheine nicht akzeptiert wurden, die Einkaufswagen mit Mitteln, die wir sonst nie eingekauft hätten und wanderten zur Kasse. Vor uns schon eine lange Schlange und heftiges Palaver an den Kassen. Hinter uns keine freie Einkaufswagen mehr, schlecht beraten , diejenigen, die heute hier einkaufen wollten. Die Aktion führte dazu, weil die Gutscheine ohne Vorzeigen des Ausweises nicht akzeptiert wurden, dass ein Einkauf an dem Tag nicht mehr möglich war, alle bergeweise beladenen Einkaufswagen standen in der Gegend rum, und der Laden musste seine Pforten schließen.
Lange lief das so nicht weiter, wir waren zahlreicher. Bald wurden die Gutscheine überall akzeptiert.
Gepostet von François aus dem Kerngehäuse