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Energetische Modernisierung, Mieter-Rechte, „Muster-Gerichtsverfahren“ am Landgericht Berlin

21. April 2017 um 12:00 - 15:00

Thema: Energetische Modernisierung, Mieter-Rechte, „Muster-Gerichtsverfahren“ am Landgericht Berlin

Hallo Ihr lieben MitstreiterInnen,anknüpfend an unsere Einladung zum Verhandlungstag am 31.03.17 im „Pankower Urteil“ teilen wir Euch mit, dass am morgigen Freitag die Urteilsverkündung am Landgericht Berlin stattfinden wird:

Freitag, 21.04.2017, 12 Uhr
Raum 3123 (Stock III) / (AZ: 63 S 56/15)
Landgericht Berlin, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin
https://goo.gl/maps/HBYm58HE2562

→ Näheres zum Verfahren, zum „Pankower Urteil“ in unten stehender E-Mail

Nachdem am letzten Verhandlungstag am 31.03. ein Heizungsgutachten vorgelegt und der vom Gericht bestellte Gutachter befragt wurde, gilt als wahrscheinlich, dass der komplette Neubau einer Gaszentralheizung von den Mietern zu dulden und zu zahlen ist und die Mieter ihre intakte Gasetagenheizung samt Heizkörper und Heizrohren verlieren.
Der Gutachter stützt sich bei seinem Ergebnis (8,8% errechnete Endenergieeinsparung) allein auf seine Berechnungen nach Energieeinsparverordnung (EnEV), die er „justitiabel“ nennt.
(Anm.: jede noch so kleine, berechnete (!) Einsparung an Endenergie führt nach geltender Rechtsprechung zur Duldungspflicht des Mieters).

Brisant ist, dass entgegen den Berechnungen in der Realität gar keine Energieeinsparung eintritt: am selben Objekt können die tatsächlichen Heizverbräuche der Wohnung der Beklagten im unsanierten Flügel mit dem bereits sanierten Flügel verglichen werden. Im energetisch sanierten Flügel (Fassadendämmung, Kunststoff-Isolierglasfenster, Gas-Zentralheizung, Solarthermie) beträgt der Endenergieverbrauch nach Modernisierung ca. 150 kWh/m²a und in der Wohnung der Beklagten (keine Fassadendämmung, Holz-Kastenfenster, Gasetagenheizung) ebenso ca. 150 kWh/m²a.

In der Ankündigung der Modernisierung ist jedoch von 74% Endenergieeinsparung die Rede. Einsparung durch den Streitgegenständlichen Maßnahmenumfang demnach real: 0%.

Dieser Fakt interessierte Frau Richterin Paschke jedoch nicht. Sie verwies nebulös auf den Willen der Politik und ihre Aufgabe, Gesetze anzuwenden. Auf was sich Frau Paschke hier konkret bezieht, wird sie in der Urteilsverkündung offenbaren müssen.

Es bleibt die Frage, warum Frau Paschke nicht der in sich schlüssigen Begründung des Amtsgerichts Pankows folgt und damit weiter der zentralen Frage nachgeht, warum es für Eigentümer eine Wirtschaftlichkeit bei energetischen Maßnahmen geben muss, für Mieter jedoch nicht. Diese eindeutige Ungleichbehandlung böte allein genug Anlass, die geltende Rechtsprechung zu überprüfen. Frau Paschke könnte entsprechend handeln und damit Recht für Mieter herstellen.

Aus den bisherigen Andeutungen von Frau Paschke ist jedoch zu erwarten, dass sie der bestehenden Rechtsprechung folgen wird und offenbar nicht gewillt ist, Gerechtigkeit zuzulassen.
Einzig in der Frage der Fassadendämmung ließ sie die Revision gegen ihr zu erwartendes Urteil zu. In der Frage der Dämmung geht es also auf jeden Fall in die nächste Instanz – zum BGH.
Hier wird grundlegend geklärt werden müssen (auch unabhängig davon, welche energetische Maßnahme zum Einsatz kommt), ob dem Mieter Unwirtschaftlichkeit zugemutet werden darf und warum er (im Gegensatz zum Eigentümer) keinen Anspruch auf Wirtschaftlichkeit haben soll.

Was passiert bei der Urteilsverkündung am Freitag?
Dieser Termin ist kein Verhandlungstermin, sondern ein „Verkündungstermin“, bei dem ein Erscheinen unüblich ist. Die Rechtsanwälte können sich vor Ort die Entscheidung vorlesen lassen. Die Beklagten werden nicht anwesend sein, da sie gebunden sind. Üblicherweise wird die Entscheidung zugeschickt, die dann Anfang der KW 17 zu erwarten ist.

Richterin Paschke regte einen Vergleich an. Die Beklagten unterbreiteten der Gesobau daraufhin ein Angebot, nach dem der bisher unsanierte Flügel des Hauses ohne energetische Maßnahmen saniert wird, um anhand dieses „Versuchsobjektes“ im direkten Vergleich die tatsächlich eintretenden Einsparungen durch die energetischen Maßnahmen zu ermitteln, um zu erfahren, ob sie tatsächlich wirtschaftlich sind und ob sie im Endergebnis Energie klimarelevant einsparen.

Wie geht es nach der Urteilsverkündung weiter?
Wir Mieter bleiben kämpferisch, denn uns ist bewusst, dass diese Verhandlung das Schicksal tausender von energetischer Modernisierung betroffener Mieter besiegelt. Wir werden nicht hinnehmen, dass die vollkommen ungerechte und äußerst fragwürdige Gesetzeslage bestehen bleibt!

Landauf- landab ist zu vernehmen, dass die Energetische Modernisierung sehr oft weit weniger bringt als beworben, was nichts anderes heißt, als dass der Mieter einen fetten Aufschlag auf seine Miete hinnehmen muss – für Maßnahmen, von denen weder er, die Umwelt oder das Klima etwas hat. Profitieren tun allein die Bau(stoff)industrie und die Eigentümer durch Absatz und gesteigerte Mieten. Hier passiert nicht weniger als eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben, Vernichtung von Einkommen und Kaufkraft und ein Anstieg der Staatsausgaben für das Wohnen, Armut im Alter und sozialer Unfrieden.

Es ist unlogisch und ungerecht, dass diese Gesetzgebung existiert und das diese Politik Bestand hat, denn sie schadet dem Gemeinwohl. Es ist dringend zu überprüfen, ob diese Gesetzgebung weiter Bestand haben kann, die vor 4 Jahren mit dem Mietrechtsänderungsgesetz verschärft und die Mieter endgültig entrechtet hat: die Mieter sollen jede noch so teure, jede noch so nichts bringende energetische Maßnahme als lebenslange Umlage auf ihre Miete zahlen, ein Anspruch auf Wirtschaftlichkeit besteht dabei nicht, ebensowenig auf einen Sinn oder einen ökologischen Nutzen.

Wie berufen kommen diese Maßnahmen zur Entmietung und anschließender „Verwertung“ ganzer Häuser zum Einsatz: sehr viele Mieter trennt nur eine einzige, jederzeit eintreffende Modernisierungsankündigung von der Vertreibung aus ihrer Wohnung. Mieterhöhungen von 50,70,100 oder gar 300% sind durch Energetische Modernisierungen problemlos – und das ist skandalös – vollkommen Gesetzeskonform möglich! Mieter haben hier juristisch so gut wie keine Chance, auch Mietervereine kapitulieren komplett. Dieser gesetzgeberische Zustand darf nicht bleiben. Es sind tagtäglich neue Mieter, die von energetischen Modernisierungen und dem Gewinnmaximierungsstreben Einzelner aus ihrem Leben gerissen und in ihrer Existenz bedroht werden.

Hören Sie dieses Interview mit Sven Fischer und erleben Sie, wie sich jahrelanger Kampf gegen 400% Mieterhöhung durch Energetische Modernisierung anfühlt. Hören Sie Kurt Jotter im Interview, der den Westberliner „Häuserkampf“ erfolgreich mitprägte und der nun erneut gegen staatlich verursachtes Unrecht gegenüber Mietern ankämpft:

Radiointerview mit Sven Fischer aus der Kopenhagener Straße 46 über seinen nun fast 4 Jahre dauernden Kampf gegen Vertreibung durch Energetische Modernisierung:
https://youtu.be/TyGBAEobwtI

Radiointerview mit Kurt Jotter, Künstler und Aktivist zum Irrsinn der Energetischen Modernisierung und der äußerst fragwürdigen bis verfassungswidrigen Gesetzeslage:
https://youtu.be/sio_0AgMPz0?t=258

Für weitere Fragen, Informationen, Kontakte und Interviews stehen wir gern zur Verfügung.

Es grüßen Euch

Tilo Trinks (Pankower Mieterprotest)
Kurt Jotter (Büro für ungewöhnliche Maßnahmen)
Tel.: 0176 390 831 79

Details

Datum:
21. April 2017
Zeit:
12:00 - 15:00
Veranstaltungskategorie:

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