Das M99 in der Manteuffelstraße - seit 30 Jahren eine wichtige Anlaufstelle.

Eine Kiezlegende soll verschwinden: M99 – Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf akut von der Räumung bedroht

Bizim M99 HG Lindenau

HG Lindenau spricht auf der Bizim Kiez Versammlung über die Kündigung seines Ladens M99 und seiner Wohnung

Hans-Georg Lindenau, besser bekannt als „HG“, hat bereits auf der Bizim Kiez Versammlung am 12. und 19.08.2015 am offenen Mikrofon auf die Kündigung und drohende Räumung seiner Wohn- und Geschäftsräume in der Manteuffelstr. 99 aufmerksam gemacht. Er bittet alle um Unterstützung, um die ihm zum 31.12.2015 drohende Räumung und somit das Wegfallen seines Lebensraumes und seiner Geschäftsgrundlage zu verhindern.

Was ist das M99?

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Die Schaufenster des M99 – jeder im Kiez kennt sie.

Hans-Georg Lindenau wohnt seit knapp 30 Jahren in der Manteuffelstr. 99 Ecke Waldemarstr. 108. Dort betreibt er beinahe ebenso lange seinen kleinen Laden, den „M99 – Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“. Hier findet man eine einzigartige Zusammenstellung an Büchern, Kleidung, Kaffee, Aufklebern und weiteren Dingen, die ein mündige Bürger/innen nicht nur zu Demonstrationszwecken gebrauchen können. Alles Käufliche hat einen erschwinglichen Preis, denn HG ist kein profitorientierter Geschäftsmann, sondern sieht sich und seine Arbeit als einen Teil der „Kultur von unten“. Deshalb gibt es auch eine Freebox – hier kann jeder geben und nehmen was er kann und möchte.

Im M99 kann man aber nicht nur einkaufen, sondern findet in HG auch einen intelligenten Gesprächspartner mit einer beachtlichen Lebensgeschichte. Menschen in schwierigen Situationen weist er nicht ab, sondern leistet gerne Hilfe. Der Laden ist Anlaufstelle für Nachbarn, Immigranten, Demonstranten, Punks, Trinker, Traveller und selbstverständlich auch für die breite Masse. Hier ist einfach jeder willkommen (außer menschenverachtendes Volk).

Der Laden ist weit über den Kiez hinaus bekannt und beliebt und wird zudem in lokalen Stadtzeitungen sowie internationalen alternativen Reiseführern empfohlen.

Wer ist Hans-Georg Lindenau?

HG ist 56 Jahre alt und lebt seit über 40 Jahren in Berlin. Mit seinem Laden M99 ist er eine Art privater Sozialarbeiter  ohne öffentlichen Auftrag, aber mit eminent wichtiger Aufgabe für viele Menschen, die sonst durch das Raster fallen würden. Er bietet im lokalen Rahmen eine Art zweites soziales Auffangnetz für Menschen, die beim staatlichen Netz durch die Maschen fallen.

Seit Jahrzehnten ist er eine aktive Kraft im Widerstand gegen staatliche Repression. In den 80er Jahren war er in der Hausbesetzerszene unterwegs und engagiert sich seither gegen Immobilienspekulation und für den Erhalt und die Instandsetzung preiswerten Wohnraums. Unter anderem sind hier die Ackerstr. 53 (Wedding, alte Schrippenkirche), Dresdner Str. 16, Waldemarstr. 52 und die Anhalter Str. 7, wo das Kunst- Und KUlturCentrum Kreuzberg – kurz KUKUCK – entstand, zu nennen. 1988 motivierte HG unter dem Motto „Kunstobjekt statt Todesstreifen“ 200 Menschen am damals seit Monaten besetzten Lennédreieck zum Sprung über die Mauer von West nach Ost.

Seit einem bis heute nicht geklärten Unfall im Herbst 1989 ist HG aufgrund damalig unterlassener Hilfeleistung querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen – motorisch gesehen also auf Hilfe angewiesen.

Das Konzept „Wohnen und Arbeiten“

Obwohl weder Wohnung noch Laden behindertengerecht ausgebaut sind, meistert HG sein Leben und das M99 mit ungeheurer Energie und Lebensfreude in einer – wie er es bezeichnet – selbstbestimmten „Wohnen-Arbeiten-Leben-Symbiose“. Dieses selbstbestimmte Lebenskonzept ist jedoch nur durch die Kombination der Wohn- und Geschäftsräume und dadurch möglich, dass HG ganztägig durch Menschen umgeben ist, die ihm hier und da zur Hand gehen und ihm im Notfall sofortige Hilfe leisten können: Aufgrund seiner Gehbehinderung und eines HWS-Syndroms besteht für ihn permanent die Gefahr zu stürzen und sich dabei lebensgefährlich zu verletzen. Auch spontane Zusammenbrüche aufgrund von Erschöpfung sind keine Seltenheit. Anwesende Personen – Nachbarn und Kundschaft tagsüber, sowie Bewohner und Besucher auch nachts – bieten eine lebensnotwendige Sicherheit und sind unverzichtbar. Auch das gegenüberliegende ehemalige Altenheim (Manteuffelstr. 33/34) bietet durch anwesende Rettungskräfte im Notfall Hilfe.

HG hat sich mit dem M99 und seinen Wohnräumen ein individuelles und für ihn unverzichtbares „Assistenzsystem“ aufgebaut, welches auf Geben und Nehmen basiert. Nur in diesem preiswerten öffentlichen Wohn-und Arbeitsraum schafft es der Rollstuhlfahrer, Hilfe für sich und andere zu organisieren. Die öfffentliche Besuchsassistenz wäre durch die Trennung einer rollstuhlgerechten Wohnung vom Arbeitsplatz ein Freiheitsverlust.

Informationen zur Kündigung

Die Hausverwaltung Idema GmbH hat die angemieteten Flächen von HG in mehreren Schritten mit einer daraufhin folgenden 3-teiligen Teilräumungsklage gekündigt.

Keine der Kündigungen beruft sich dabei auf den letzten gültigen Mietvertrag vom 25.08.2000, geschlossen durch die Mercatros Immobilien Verwaltung und Projektmanagement GmbH mit Hans-Georg Lindenau.

Als Grundlage der ersten Kündigung im Februar 2015 wurde ein nicht mehr alleingültiger Teil-Mietvertrag aus dem Jahr 1985 über 75m2 (3 Räume, 1 Kammer) herangezogen. Als Kündigungsgrund wurde hier angegeben, dass der Mieter dem Vermieter die Untervermietung eines Teils seiner Räumlichkeiten nicht ordnungsgemäß angezeigt hätte. Ende Februar entschied das Berliner Amtsgericht in erster Instanz, dass Lindenau den Laden und die Wohnräume bis zum 31. Dezember 2015 räumen müsse. Die Berufung zu diesem Verfahren wurde vom Langericht abgelehnt. Die Eigentümer versuchen aktuell die Wiedereinsetzungsklage zur Berufung zu verhindern.

Die zweite Kündigung betrifft eine Teilfläche von 100m² Kellerräumen mit Innentreppe zum Ladenbereich und wurde im Juni 2015 ausgesprochen. Auch hier wird nicht der alleingültige Mietvertrag aus dem Jahr 2000 zitiert. Als Kündigungsgrund wird hier ein „die Hausbewohner gefährdender Missbrauch des Mietgegenstandes“ angegeben: Konkret ist hier der am 8. März durch eine HG assisiterende Freundin verursachte Brand einer Matratze in der ersten Etage gemeint. Gegen die Kündigung wurde Widerspruch eingelegt, der Prozess hierzu findet am 5. Oktober 2015 im Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof statt (siehe unten).

Die dritte Kündigung erfolgte am 2. September 2015 und betrifft die Räume in der ersten Etage inklusive der mit dem Parterre verbundenen Treppe. Die Anwälte der Eigentümer erklären sich hierbei mit der Untervermietunsgabsicht von HG an eine schwangere Frau als nicht einverstanden. Die Wiedereinsetzung des Berufungsverfahrens in diesem Fall läuft zur Zeit noch.
Wir möchten hierzu anmerken – gemäß Informationen vom Mieter selbst -, dass die Eigentümer am Zustand der Räume nicht ganz unschuldig sind: Seit Jahren werden erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen immer wieder aufgeschoben.

Laut Auskunft von HG sind Kündigungsdrohungen und Kündigungen auch der anderen Mieter in diesem Haus Teil der geplanten Entmietung. Insbesondere Mieter mit preiswerten Mieten und Altverträgen sind hier unerwünscht, denn das Haus soll energetisch saniert werden. Es ist ausserdem mehrfach durchgesickert, dass die Eigentümer kein Interesse daran haben, günstigen Wohnraum zu erhalten, sondern das M99 vielmehr in einen Gastronomiebetrieb umwandeln möchten.

Prozess am 05.10.2015

Der erste Teil der zweiten Räumungsklage Hans-Georg Lindenau gegen Hellmann u.a. findet
am Montag, den 5.10.2015 um 9:30 Uhr im Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Möckernstr. 130, Altbau, Saal III 358 statt.

HG wird von Rechtsanwalt Burkhard Draeger vertreten. Die Kläger Hellmann u.a. werden von den Rechtsanwälten Wollmann & Partner vertreten.

Jeder kann zu diesem Termin im Amtsgericht erscheinen. Wir bitten um zahlreiche Teilnahme! HG plant vor und nach dem Prozesstermin eine Kundgebung – nähere Informationen hierzu folgen. Zeigt euch solidarisch und unterstützt HG!

4 Kommentare zu “Eine Kiezlegende soll verschwinden: M99 – Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf akut von der Räumung bedroht

  1. Hans-Georg Lindenau

    1. Ergänzung für motorisch hilflos heisst individuell für jeden motorisch gehandicapten auch für Hg individuelle Regeln durchzusetzen (Sitzklasse).Der Eile der „Zweibeiner( z.Bsp.“Rucksack am Rücken verspannt ihn -lebensgefährdendempfindend am Hals- im Laden) nichtr hilkflos ausgelliefert zu sein ihn entspannend um seinem Halswirbelbruch nicht bis Lähmung von Hals an zu verschärfen , HG bnaucht es nur entpannend sein Verkaufs-Dienstleitung dirrigierend geschehen zu lassen !
    2.)Dritte Kündigung(Räummungsklage an eine schwangere Frau. es fehlt : die Planung einer Kinderwohnetage mit der jungen jahrzehntelange neben wohnen Mutter in der esten Etage und seiner schwangeren Bekannten wurde wegen ihrer Anmeldung im april durch Massnahmen des Eigentümers zerstört. Die gemeinsame ca siebzig jahre alte Aussentoillette wurde abgerissen. und die leergeräumte Wohnung eines früher assistierernden Freundes von hg über deren nachbarwohnung wurde von Bauarbeitern dazu „genutzt“ dieser einen unbewohnbar überschwemmungschaden zuzufügen. Bevor die schwanger Bekannte ihr Kind mitte September bekam war bis Juni die nverzweifelte Nachbarsmutter nach zwanzig jahrene aus ihrem preiswerten Wohnraum freiwillig ausgezogen. als movbbing neben fehlender Schadensersatzbereitschaft und Kündigung sollte sie ihr Kind und sich auf der Aussentoilkette drei Stockwerke höher bei ihrem Hauptmieter versorgen!
    3.)Eigentümer für zustand der Räume nicht unbeteiligt heisst. Der Hauseigentümer meldete die Instandsetzunga b 18.3. per Vertrag nicht der Bauaufsicht. Das bezeugte nach Instandsetzungsabbruch diese Bauaufsicht bei der von HG mit HausbewohnerInnen initieerten M.ängelbegehung im Mai 2014 . Danach erhielt HG im Juni 2014 die Räumungsklage Besuchs-Assistenz mit Untervermietung glerichzusetzen..Der Abriss von Bad,Küche Bett,Fliessboden,Abwasserleitung im Paterre – seinem Lebensschwerpunkt als Rollstuhlfahrerabgerissen nicht Wiederherstellbar ohne Genehmigung der Eigentümer und Bauaufsicht bedeutete für HG in der Bauschutt und Baumaterialien zugebauten M99 in allen drei iEtagen nur bis zur Bausaufsichtsbegehung am 19.3.2015 alleine nur mit Besuchassistenz ohne Untervermietung leben zu können.
    4. 1990 erfuhr HGals „Totgesagter“ vom 4.Hauseigentümer der „BailbaubetreuungsGmbH“ über ein Gutachten daß aus dem Lebensmittelladen Feinkost Kurth und „M99“ eine Kneipe werden sollte!. Seit dem wie auch 8.Hauseigentümer seit 2013 verweigerten sämtliche wechselnde Hauseigentümer die freiwillige Instandsetzung preiswerten Wohnraums und boten allen Kneipenpächtern wie , auch dem jetzigen Technoclub „Herz 60″ bei ihrem Hausbesitzbeginn mit, die“HG, M99“ zur Kneipe erweitern zu wollen!
    5.) Die1996 erklagte, 2013 abgerissene Entrauchungsanlage des jetzigen Technoclubs wird nach desssen Aussage im September 2015 auch weiterhin im Herbst 2015 in Wohnräume der niederen Geschosse im Hof und Treppenhaius Kohlenmonoxidvergiftung lärmend durchblasend mutmasslich bewohnerInnenverteibend beabsichtigt belassen! Seit 2013 sind mutmasslich ein halbes dutzend Bewohnerinnen preiswerten Wohnraum „ausgezogen worden“

  2. Name xxx

    Ich wurde auch von diesen Leuten aus meiner Wohnung rausgeworfen. Bei mir wurde ein besonders netter Trick angewendet: immer wenn es Post vom Gericht wegen der Kündigung kam, wurde „rein zufällig“ mein Briefkasten aufgebrochen, so dass ich nicht auf die Räumungsklage (wegen einer Nichtigkeit) reagieren konnte. Ich habe erst davon erfahren, als die Kündigung rechtskräftig war. Natürlich wird mir auch die Kaution bisher verweigert.

  3. Pingback: Erfolgreiche Aktion im Rahmen der Zwangsräumungandrohung gegen Andrea und ihrem Sohn aus Tempelhof « Zwangsräumungen gemeinsam verhindern

  4. Ida

    Die Berliner Gentrifizierung ist ein absolutes Trauerspiel. Mehr und mehr verändert sich der Kiez, dies hat seine Sonnen- aber auch Schattenseiten. Die Mietrechte müssen strenger kontrolliert werden und Räumungen können etwas gutes sein, solange sie natürlich nicht die kleinen und sozial schwächeren Gruppen betreffen um diese mit Besserverdienenden zu ersetzen. Daran hat nur der Vermieter Spaß!