Von wegen „Angebot und Nachfrage“ – Das Immobiliengeschäft basiert auf Verdrängung

Viele glauben, dass die Preissteigerungen im Immobilienmarkt ein normales Abbild des altbekannten Prinzips von „Angebot und Nachfrage“ seien, über das in der Marktwirtschaft Preise ausgehandelt würden. Dabei übersehen sie, dass es in Zeiten der Geldschwemme und des Negativzinses der Nachfrageseite gar nicht teuer genug sein kann. Am Beispiel des Hauses Wrangelstr. 66, für das der Bezirk sein „Bezirkliches Vorkaufsrecht“ geltend machen will, lässt sich erklären, wie die Interessen der Immobilienwirtschaft wirklich gelagert sind. Das Haus gehört einem Finanz-Fonds, dem eine Vielzahl von Häusern in Berlin und in ganz Europa zugeschrieben sind. Der Fonds agiert zielgerichtet Profit-orientiert und die verantwortlichen Personen im Firmengeflecht hinter dem Fonds besitzen augenscheinlich wenig Interesse, sich um die Belange von Mieter/innen zu kümmern, denn Vermieten – also das Anbieten des Produktes „Wohnen“ – ist nicht ihr Geschäftsmodell.

Das Haus in der Wrangelstraße 66 ist im Besitz des Unternehmens Valore 2 S.A. Das ist eine Luxemburgische Fonds-Marke, die von der Verwaltungsgesellschaft Avere Asset Management S.C.A. geführt wird, welche mehrere Finanz-Fonds (alle haben das Wort „Valore“im Namen) aufgelegt hat.

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Auf der inzwischen abgeschalteten Website konnte man die Zusammenhänge zwischen den Firmen und Fonds noch erkennen und das alte Logo sollte wohl unvorsichtiger Weise andeuten, dass auf dem Valore-Avere-Verschiebebahnhof eine Hand die andere wäscht, denn wie mit den „Assets“ Geschäfte gemacht werden, zeigt sich am Beispiel exemplarisch:

Verschieben der Immobilie innerhalb des Netzwerks der eigenen Firmen

Im Fall des Hauses in der Wrangelstr. 66 planten die Fond-Manager, das Haus von der einen eigenen Firma zur anderen zu schieben um dabei die Umwandlung, von einem Mietshaus zu einem Haus mit einzelnen Eigentumswohnungen, zu vollziehen. Die einzelnen Wohnungen sollten von „Valore“ an „Avere“ verkauft werden, wie aus der Mitteilung an die Mieter/innen hervor ging. Der Bezirk erkannte darin eine nicht genehmigungsfähige Umwandlung des Mietshauses im Milieuschutzgebiet und das Grundbuchamt verhinderte die Übertragung der Immobilie in Einzelbestandteilen auf die andere Firma. Um den Schachzug der Fond-Manager auszukontern, hat der Bezirk dem Besitzer der Immobilie (also „Valore“) mitgeteilt, dass er für das Haus das Bezirkliche Vorkaufsrecht für Dritte ausüben wolle – so der Stand heute.

Der Bezirk grätschte dazwischen, aber nur weil es ihn zunächst nichts kostet

Der Bezirk hat sich dies nur deshalb zugetraut, weil absolut klar ist, dass gegen diese bezirkliche Entscheidung Klage eingereicht wird. Da so ein Verfahren mindestens zwei Jahre dauert und bis zur gerichtlichen Klärung alles stillsteht, muss der Bezirk also nicht fürchten, schnell ein Finanzierungskonzept für Dritte aufweisen zu können, oder gar Geld locker machen zu müssen. So erklärt sich auch die bezirkliche Zurückhaltung in anderen Fällen: Kommt der Bezirk in die Verlegenheit wirklich finanziell einspringen zu müssen, will er vom Bezirklichen Ankaufsrecht nichts wissen, denn so wie das Verfahren konstruiert ist, kann sich der Bezirk Ankäufe schlicht nicht leisten. Deshalb fordert Bizim Kiez endlich eine Reform des Ankaufsrechts und die Einrichtung eines Landesfonds, aus dem Ankäufe, die allerdings nicht auf dem Niveau des Markpreises stattfinden dürfen, finanziert werden könnten.

Bei dem gegenwärtigen Verfahren zum möglichen Bezirklichen Ankauf, um Umwandlungen zu verhindern, haben die Immobilen-Firmen keinen Grund vorsichtig zu sein. Die Bezirke fallen als Wächter beim zügellosen Spiel mit dem Immobilienbestand aus und es geht munter weiter mit den Verdrängungsstrategien gegenüber den Menschen, die oft diffamierend „Altmieter“ genannt werden.

Entmietung als Geschäftsmodell – je weniger Mieter*innen, desto wertvoller

Einer der Manager der Valore Fonds ist Emanuele Boni, der gleichzeitig auch Anteilseigner von Avere ist. Ein anderer Beteiligter an beiden Firmen ist Andrea Magnoni, der manchmal als internationaler Finanzexperte Statements abgibt und dementsprechend lassen sich die Entwicklungsabsichten der Fond-Manager gut erkennen:

„In Berlin ist der Preis pro Quadratmeter mit am billigsten unter allen europäischen Großstädten, einschließlich der in Osteuropa“ sagte Andrea Magnoni als Partner und Mitgründer des Valore Fonds 2008. Weiter meinte er „Der Gewinn ist für Investoren höher als überall sonst und liegt bei 7 bis 8 Prozent im Vergleich zu 3.5 Prozent in Mailand, denn auch wenn die Miethöhen eher niedrig sind, sind die Ankaufspreise niedrig genug um gute Gewinne zu garantieren. (Quelle z.B: Taipei Times). Sowas sagt der Finanzexperte aber nicht einfach so daher, sondern er und sein Partner verkaufen gleich noch die passenden Finanzprodukte dazu.

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Bis vor kurzem warb die RIVA ASSET MANAGEMENT SARL, deren Chairman Emanuele Boni ist, zum Einstieg in den vielsagenden Fonds: Absolute Return Residential Real Estate Opportunities“

Im Werbe-Flyer für den „Absolut Return“ Fonds ist unmissverständlich angegeben, was die Strategie zum Erwirtschaften des „Absoluten Gewinns“ ist (siehe nebenstehendes Bild): „Teilweises Sanieren von Wohnungen und öffentlich zugänglichen Gebäudeteilen, Wohnungen entmieten um höhere Preise erwirtschaften zu können, Weiterverkauf von 43 Wohnungen an Privatinvestoren und Selbstnutzer.“

Das ist übrigens nicht nur theoretisch geplant, sondern ganz konkret mit einer Fallstudie im Werbeprospekt belegt. Als beispielhaft wird das Haus in der Bürkner Straße 2-3 gezeigt, in dem laut Werbe-Flyer schon 24% der Wohnungen leer stehen (zum Jan 2014). Was wohl aus finanz-strategischem Interesse der Anteilseigner die andern 76% zu erwarten haben? Man kann es sich denken: Entmietung & Verdrängung.

Das Fundraising in diesen Fond ist inzwischen übrigens abgeschlossen, d.h. es haben sich genügend Investoren gefunden, die diese Strategie der Entmietung als Zukunftsmodell für ihre eigene Finanzsicherung befürworten und darauf vertrauen, das ihre Anlagen hier einen Gewinn erwirtschaften.

Leider scheint es in unserer Gesellschaft als Normalität akzeptiert zu sein, dass Immobilienbesitzer frei darüber verfügen können, was mit den Immobilien gemacht wird. Der Begriff „Aufwertung“ wird auch in der Politik noch als ein positiv besetztes Prinzip der Immobilien- und Stadtentwicklung begriffen, wobei vollkommen verkannt wird, dass die Aufwertung nur den Sinn der „Preissteigerung“ hat. Die Immobilien müssen teurer werden, weil sonst der Geldüberfluss noch deutlicher zu Tage treten würde.

„Aufwertung“ bezweckt die Preissteigerung – der Gegenwert des unethischen Wirtschaftens

Inzwischen sehen auch konservative Stimmen die Geldschwemme, die in Europa durch die Gelderschaffungspolitik der EZB entsteht (plus 1 Billion Euro in einem Jahr!) als Problem an. Es entstand ein erheblicher Ankaufdruck auf Immobilien, denn reale Werte (Real Estate) erscheinen in Zeiten des Negativzinses hoch attraktiv. Die Nachfrage übersteigt das Angebot seit langem und durch das überschüssige Geld wird der einfache Marktgrundsatz ausgehebelt, dass die beiden „Werte“ sich stets die Wage halten und sich darüber ein realer Preis entwickeln würde.

„Unsere offenen Immobilienfonds sind stark nachgefragt“, sagt auch Torsten Knapmeyer, Geschäftsführer von Deka Immobilien. „Wir gehen aktuell davon aus, dass wir die Nachfrage in diesem Jahr nicht vollständig befriedigen können.“ (Quelle: FAZ) In Zeiten der Zinsflaute sind übervolle Immobilen-Fonds gezwungen immer mehr Immobilien anzukaufen, damit ein Gegenwert verbucht werden kann. Dabei ist ein hoher Ankaufspreis sogar von Vorteil, denn so erscheint die Immobilie wertvoller.

Auch institutionelle Anleger wie z.B. der Norwegische Pensionsfond (einer der größten Fonds der Welt), der sich selbst ethische Auflagen gegeben hat und auch schon mal Anteile von Unternehmen, die unethisch wirtschaften öffentlichkeitswirksam aus dem eigenen Portfolio wirft, setzen inzwischen vermehrt auf Immobilienankäufe, weil fast nur noch das Geschäft mit Häuserbeständen sichere Renditen abwirft. Was an dieser Strategie allerdings ethisch vertretbar sein soll, verstehe wer will.

Mieten sollten nicht länger an Wertsteigerungen gekoppelt sein

Bei diesem ganzen Geschäftsgebaren fragt man sich, warum überhaupt Mietpreise noch an die spekulativen Werte der Immobilien gekoppelt sind. Was uns allen irgendwie logisch erscheint ist es nämlich nicht. Wenn das Geschäftsmodell der Immobilienwirtschaft nicht mehr das Anbieten des Produkts „Wohnen“ ist, sondern der Handel mit den Immobilien selbst, warum sollten dann bei jedem profitablen Verkauf einer Immobilie auch noch die Mieter*innen, den immer höheren Gegenwert der Immobilie mit ihrer Miete bezahlen? Die Preissteigerung wurde doch schon bezahlt und die Investition des Käufers ist auch werthaltig – völlig unabhängig davon, wie viel Miete bezahlt wird. Ein Haus ist sogar mehr wert, je weniger Mieter*innen im Haus wohnen. Ideal profitabler Immobilienbesitz besteht aus leerstehenden Häusern in Toplagen.

Solange Mieten an den Marktwert der Immobilien gekoppelt sind, ergibt sich daraus ein völlig irrsinniges Marktergebnis: Wohnungsmieten werden immer teurer, nicht weil Mieter*innen bereit sind, für das Angebot mehr zu bezahlen, sondern weil die Immobilien als Gegenwert der Anleger*innen immer gefragter werden.

Eine Politik, die das Wohl einer Stadt zum Ziel hat, muss hier völlig neue Wege gehen und den Bewohner*innen der Städte, die in Berlin zu 75% aus Mieter*innen bestehen, Lösungen aufzeigen, wie Mietpreise niedrig gehalten werden können oder sogar abgesenkt werden können. Die Macht der Immobilienwirtschaft und insbesondere der Immobilen-gekoppelten Finanzwirtschaft muss gebrochen werden und die nicht mehr existente Korrelation von Wert und Miete muss auch faktisch abgekoppelt werden, so dass Mieten auf anderer Grundlage errechnet werden – nämlich gesteuert, um bezahlbare Mieten zu garantieren. Wird die Mietenentwicklung wie im Moment von der Geldschwemme auf dem Anlegermarkt getrieben, wird immer mehr hoch rentabler Leerstand entstehen.

 

Ein Kommentar zu “Von wegen „Angebot und Nachfrage“ – Das Immobiliengeschäft basiert auf Verdrängung